Es klingt fast zu schön um wahr zu sein: Ein bißchen Wasserstoff könnte reichen, um die Energieprobleme der Menschheit auf einen Schlag zu lösen. Kernfusion, da sind sich die Verfechter der Fusionstechnologie sicher, ist definitiv die Energie der Zukunft. Angesichts zur Neige gehender Reserven an fossilen Brennstoffen und der drohenden Klimaveränderung durch Emission von immer mehr Treibhausgasen eine verlockende Perspektive. Aber wie realistisch sind die Aussichten, dass in absehbarer Zeit tatsächlich funktionierende Fusionsreaktoren errichtet werden können?
Bisher steckt die Technologie gerade einmal in den Kinderschuhen. Obwohl die ersten Anfänge der Fusionsforschung bis in die 50er Jahre zurückgehen, sind bahnbrechende Fortschritte dünn gesät. Die Plasmaphysiker schlagen sich noch immer mit Grundsatzproblemen herum, nicht einmal die Entscheidung für eine der beiden Basisprinzipien, Magneteinschluss- oder Trägheitsfusion ist gefallen. Bisher ist es in beiden Bereichen nur zu Teilerfolgen gekommen, die Versuchsanlagen erreichen entweder ausreichende Temperaturen oder Dichte, nicht jedoch beides – und schon gar nicht für längere Zeit. Selbst der weltweit erfolgreichste Reaktor, der Joint European Torus, war bei seinem Rekordexperiment von 1997 noch immer um den Faktor sechs von den für eine Zündung benötigten Bedingungen entfernt.
Es scheint fast so, als wenn das ersehnte Ziel der Kernfusion als Energiequelle, in immer weitere Ferne rückt, je mehr die Forschung voranschreitet. Nicht immer sind es allerdings rein technische Probleme, die sich den Wissenschaftlern in den Weg stellen, oft genug müssen auch Hürden ganz anderer Art genommen werden. „50 Prozent der verlorenen Zeit in der Fusionsforschung gehen auf das Konto politischer Behinderung.“, sagt Prof. Klaus Pinkau, Leiter des Instituts für Plasmaphysik in Garching. Die leeren Staatskassen zwingen zu rigorosem Sparkurs. Die extrem teuren und aufwendigen Projekte der Fusionsforschung müssen da häufig als erste dran glauben. Erst kürzlich entging der geplante Internationale Fusionsreaktor ITER nur knapp dem drohenden Aus, seine Planung wird nun doch, in geschrumpfter Version, weitergehen können.
Trotz aller Hürden sind die Fusionsforscher im Prinzip optimistisch: Ihrer Ansicht nach könnte schon 2050 der erste kommerzielle Fusionsreaktor ans Netz gehen – wenn bis dahin noch einige kleinere Wunder geschehen.
Doch selbst wenn die technischen und politischen Voraussetzungen eines Tages stimmen sollten und der erste Fusionsreaktor zu arbeiten beginnt: Die Frage, ob sich der Aufwand dann überhaupt lohnt, ob es gelingen wird, ein Fusionskraftwerk so effektiv zu machen, dass es auch mit anderen Energieformen konkurrieren kann, ist noch völlig ungelöst. Und wird es vermutlich noch eine ganze Weile bleiben. Alexander Bradshaw, der Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft bringt es auf den Punkt: „Die Entscheidung, ob wir die Kernfusion einsetzen wollen oder nicht, treffen nicht wir, sondern unser Kinder und Enkel.“
Stand: 26.03.2000