Auf der Suche nach einer Alternative oder Ergänzung zum digitalen Rechnen besinnen sich Wissenschaftler und IT-Unternehmen zunehmend auf eine lange totgeglaubte Technologie: analoge Computer. Schon vor Jahrhunderten halfen sie Menschen dabei, die Bewegung der Gestirne oder den Wechsel von Ebbe und Flut zu berechnen. Und selbst an Bord der Apollo-Mondmissionen waren noch analoge Computerkomponenten im Dienst.

Himmelscomputer und Gezeitenrechner
Was aber ist ein analoger Computer? Und was unterscheidet ihn von einem digitalen Rechner? „Analog kommt vom griechischen Wort Analogon, was Modell bedeutet – und genau das ist ein analoger Computer: Das Modell eines Problems, das man nutzt, um dann dieses Problem durch seine Simulation zu lösen“, erklärt der deutsche Analogcomputer-Pionier Bernd Ulmann. Die Prozesse im Analogcomputer werden dabei durch dieselben physikalischen oder mathematischen Gleichungen bestimmt wie das zu lösende Problem.
Ein klassisches Beispiel für dieses analoge Rechenprinzip ist der im Jahr 1876 von William Thomson, dem späteren Lord Kelvin, entwickelte Gezeitenrechner. In ihm repräsentiert ein Arrangement von in ihrer Position verstellbaren Zahlrädern die verschiedenen auf die Gezeiten einwirkenden Einflussfaktoren – die Position von Sonne und Mond, die Erdrotation, die Meerestiefe vor der Küste und weitere Parameter. Die einzelnen Zahnräder sind so miteinander verbunden, dass ihre kombinierten, sich mal aufhebenden, mal verstärkenden Effekte am Ausgabe-Ende eine Schreibfeder bewegen. Diese zeichnet eine sinusförmige Kurve, deren Ausschläge die Höhe und den Zeitpunkt von Ebbe und Flut anzeigen.
Auf ähnliche Weise „rechnete“ auch der vielleicht älteste analoge Computer der Welt – der Antikythera-Mechanismus. Das vor mehr als 2.000 Jahren konstruierte Ensemble aus mehr als 30 Zahnrädern, Zifferblättern und Zeigern verknüpft gleich mehrere astronomische und kalendarische Parameter und Funktionen miteinander. Mit ihm lassen sich Sonnen- und Mondfinsternisse vorhersagen, Kalenderdaten berechnen und Zeitpunkte der nächsten olympischen Spiele ermitteln.