Wären das Universum und seine Prozesse bis ins Kleinste symmetrisch, dann gäbe es uns heute nicht – und auch sonst nicht viel. Denn als beim Urknall die erste Materie aus Energie entstand, wurde zu jedem Elementarteilchen auch eine Art Zwilling geboren – sein Antiteilchen.
Bild und Spiegelbild
Dieses Antiteilchen besitzt gängiger Theorie nach prinzipiell die gleichen Eigenschaften, verhält sich aber in bestimmten Aspekten wie ein Spiegelbild zum Original. Auch seine Ladung ist der seiner „normalen“ Entsprechung genau entgegengesetzt. Das Antiteilchen des negativ geladenen Elektrons ist beispielsweise das positiv geladene Positron.
Diese kleinen, aber feinen Unterschiede haben Folgen: Kommen Teilchen und dazu gehörendes Antiteilchen zusammen, dann löschen sie sich gegenseitig aus und setzen dabei Energie frei. Genau das ist auch der Grund, warum beim Urknall nicht genauso viel Materie wie Antimaterie entstanden sein kann – diese Symmetrie muss verletzt worden sein. Denn sonst hätten sich all diese Teilchen längst wieder gegenseitig ausgelöscht und übrig bliebe – nichts.
Symmetrieverletzung im Ur-Universum
Physiker vermuten daher, dass es zwischen Materie und Antimaterie winzige, aber entscheidende Unterschiede geben muss, die zu einer leichten Asymmetrie und damit dem Erhalt der Materie geführt haben. Nach diesen Symmetrie-Verletzungen werden alle vier großen Detektoren des LHC in seiner zweiten Laufzeit gezielt suchen, in besonderem Maße aber der LHCb-Detektor. Dieses Experiment untersucht die sogenannte CP-Verletzung über einen feinen Unterschied im Zerfall des Beauty-Quarks und seines Antiteilchens.
Durch die höhere Energie der zweiten Laufzeit entstehen bei den Proton-Kollisionen mehr Beauty-Quarks und Anti-Beauty-Quarks. Das wiederum erhöht die Chance, den Zerfall dieser nur winzige Sekundenbruchteile existierenden Teilchen im LHCb-Detektor einzufangen und aufzuzeichnen. Der ebenfalls während des Long Shutdown nachgerüstete Detektor hat bereits einen ersten Test bestanden: Vor wenigen Tagen passierte erstmals nach der Pause wieder ein Protonenstrahl das Experiment – allerdings nur in eine Richtung und daher ohne Kollision.
Kosmische Ursuppe im LHC
Zurück bis fast zum Urknall geht es auch in einem weiteren Thema, das am LHC in den nächsten Jahren erforscht wird: dem Quark-Gluon-Plasma. Wenige Millionstel Sekunden nach dem Urknall war die Energiedichte so hoch, dass es die atomaren Bausteine, wie wir sie heute kennen, noch nicht gab. Stattdessen bewegten sich Quarks und Gluonen frei in einem Plasma – quasi der ultimativen kosmischen Ursuppe.
Diese „Ursuppe“ lässt sich im ALICE-Detektor des LHC erzeugen – allerdings nur wenige Sekundenbruchteile lang. Dafür werden einmal im Jahr für einige Wochen statt Protonen schwere Ionen, beispielsweise Blei, im Strahlrohr beschleunigt und aufeinander geschossen. Bei diesen Kollisionen herrschen für kurze Zeit Bedingungen ähnlich wie kurz nach dem Urknall.
Die „Ursuppe“ hält nun länger
In der ersten Laufzeit zeigte sich dabei bereits, dass das Quark-Gluon-Plasma einige ungewöhnliche Eigenschaften besitzt. So verhält es sich wie eine Flüssigkeit, die keinerlei innere Reibung besitzt – es ist superfluid. Gleichzeitig aber werden bestimmte schwere Elementarteilchen wie charm-Quarks in diesem Plasma durchaus abgebremst. Doch darüber hinaus ist über die „kosmische Ursuppe“ bisher kaum etwas bekannt.
Auch hier hoffen die Physiker auf die höhere Energie der jetzt beginnenden Laufzeit. Denn dank ihrer wird das Quark-Gluon-Plasma im ALICE-Detektor künftig ein wenig länger anhalten – das gibt den Forschern mehr Chancen, Daten über diesen rätselhaften Materiezustand zu sammeln.
Nadja Podbregar
Stand: 10.04.2015