Phänomene

Zwei Kinder auf einmal

Wie Zwillinge entstehen

Die Entstehung von Leben ist eines der Wunder der Natur. Damit ein neuer Mensch entsteht, braucht es die mütterliche Eizelle und ein väterliches Spermium. Die Eizellen reifen in den Eierstöcken der Mutter heran, bis sie durch den Eisprung in den Eileiter gelangen, wo sie durch ein männliches Spermium befruchtet werden können. Dadurch entsteht die sogenannte Zygote, eine Zelle, die in ihrem Zellkern nun zusätzlich zur mütterlichen DNA auch das Erbgut des Vaters enthält.

Die befruchtete Eizelle wandert über den Eileiter in die in Gebärmutter, um sich dort einzunisten und zu wachsen. Während dieser Wanderung beginnt sich die Zygote zu teilen, sodass immer mehr zusammenhängende Zellen entstehen, es wächst ein Verbund aus zwei, dann vier, acht, sechzehn und immer mehr Zellen. Nach etwa sieben Tagen beginnen sich die Zellen zu unterschiedlichen Zelltypen zu spezialisieren. In diesem Stadium, der sogenannten Blastozyste, gelangt der Zellverbund aus dem Eileiter in die Gebärmutter und nistet sich dort ein, um weiter zu wachsen.

Entstehung von Zwillingen
Zweieiige Zwillinge entstehen aus zwei verschiedenen befruchteten Eizellen, eineiige Zwillinge dagegen nur aus einer befruchteten Eizelle. National Human Genome Research Institute/ gemeinfrei

… oder auch zwei

Durch Zufall kann es manchmal passieren, dass dieser Zellverbund auf seinem Weg zur Gebärmutter nicht richtig „zusammenhält“ und sich in zwei verschiedene Zellklumpen aufteilt. Das kann direkt zu Beginn, nach der ersten Zellteilung der Zygote, bis hin zum Blastozystenstadium geschehen. In sehr seltenen Fällen sogar noch später. Nach dieser Aufteilung wandern und wachsen die beiden neuen Zellverbünde getrennt voneinander weiter. So entstehen aus einer befruchteten Eizelle zwei Lebewesen, die somit eine identische Erbinformation besitzen. Das Ergebnis sind eineiige, monozygotische Zwillinge.

Bizygotische oder zweieiige Zwillinge entstehen dagegen, wenn zwei verschiedene Eizellen gleichzeitig heranreifen, im Eileiter von jeweils unterschiedlichen Spermien befruchtet werden und dann unabhängig voneinander in die Gebärmutter wandern. Aufgrund der verschiedenen Eizellen und Spermien besitzen diese Zwillinge dann kein identisches Erbgut, sondern sind nur so eng verwandt wie normale Geschwister auch.

Von siamesischen und halbidentischen Zwillingen

In sehr seltenen Fällen kann es bei der Entstehung von eineiigen Zwillingen passieren, dass der Zellverbund sich „zu spät“, erst etwa zwölf Tage nach der Befruchtung, aufteilt und sich daher nicht mehr vollständig trennen kann. Diese Zwillinge entwickeln sich dadurch gemeinsam weiter und kommen „zusammengewachsen“ auf die Welt. Solche siamesischen Zwillinge sind dann in den meisten Fällen am Brustbein verbunden, es gibt aber auch zahlreiche weitere Möglichkeiten wie eine Verbindung über Kopf, Hüfte oder Steiß.

Solange sie keine lebenswichtigen Organe teilen, können siamesische Zwillinge durch eine Operation getrennt werden. Allerdings besitzen sie manchmal nur ein gemeinsames Herz, Lunge oder Gehirn, was eine Trennung unmöglich macht. Siamesische Zwillinge gibt es, seit es Menschen gibt. Den Namen erhielten sie aber erst durch ein 1811 in Siam geborenes Zwillingspaar, das als Zirkusattraktion weltweit bekannt wurde.

Noch seltener und ein absoluter Sonderfall unter den eineiigen Zwillingen, sind die sogenannten halbidentischen Zwillinge. Normalerweise sind Eizellen durch einen Schutzmechanismus darauf ausgelegt, nur von einem Spermium befruchtet zu werden. Nur so ist gesichert, dass der Chromosomensatz stimmt und die Zygote lebensfähig ist. Bei der Entstehung von halbidentischen Zwillingen findet dagegen eine Befruchtung einer Eizelle mit zwei Spermien statt.

Dass die Zygote trotzdem lebensfähig ist, ist nur dann möglich, wenn sie sich durch Zufall genau so teilt, dass der Chromosomensatz wieder stimmt. Deshalb ist diese Zwillingsform extrem selten: Bisher sind weltweit erst zwei Fälle bekannt. Diese Zwillingspärchen besitzen zu 100 Prozent die gleiche mütterliche Erbinformation, da sie ja wie normale eineiige Zwillinge aus der gleichen Eizelle entstanden, haben aber durch die zwei Spermien unterschiedliche Erbinformationen des Vaters mitbekommen.

Plazentaverhältnisse
Zwillinge können sich Fruchtblase und Plazenta auf verschiedene Arten teilen. © Kevin Dufendach (2008)/ CC-by-sa 3.0

Eine „WG“ im Mutterleib

Wenn Zwillinge im Mutterleib heranwachsen, müssen sie sich ihr schützendes und nährendes Domizil teilen. Dabei können verschiedene Formen der vorgeburtlichen „Wohngemeinschaft“ vorkommen. Normalerweise wächst ein Baby in einer Fruchtblase aus zwei Hautschichten heran und wird durch eine Plazenta versorgt. Bei Zwillingen kann es dagegen manchmal vorkommen, dass sie sich diese Räume und Ressourcen auf verschiedene Arten teilen. Das ist jedoch abhängig von ihrer Entstehung und Entwicklung.

Wenn Zwillinge jeweils eine eigene Plazenta und Fruchtblase besitzen, wird dieser Zustand dichorial-diamniot genannt, da die Plazenta aus dem sogenannten Chorion entsteht und das Amnion die innere Hautschicht der Fruchtblase darstellt. Auf diese Weise wachsen alle zweieiigen Zwillinge und ein Drittel der eineiigen Zwillinge heran.

Anders ist das jedoch bei eineiigen Zwillingen, die sich später auftrennen. Bis zur Trennung hat sich dann bereits das Chorion, selten auch schon das Amnion begonnen zu bilden. Je nachdem, wann die Trennung stattfindet, entstehen diese Komponenten daher nicht mehr doppelt, sondern vor der Trennung nur einmal für beide Zwillinge. Am häufigsten entstehen dabei monochoriale-diamniote Zwillinge, die sich vier bis sieben Tage nach der Befruchtung trennen. Diese teilen sich dann eine Plazenta, entwickeln aber jeweils ein eigenes Amnion und damit eigene Fruchtblase. In einem Prozent der Fälle trennen sich Zwillinge so spät, dass bereits Chorion und Amnion entwickelt sind und die Zwillinge sich somit Plazenta und Fruchtblase teilen müssen. Es entstehen monochoriale-monoamniote Zwillinge.

Diese Teilungsverhältnisse von Fruchtblase und Plazenta werden in jeder Zwillingsschwangerschaft untersucht, da sie verschiedene Risiken bergen können. So kann es bei einer gemeinsamen Plazenta zu einer Unterversorgung und schlechteren Entwicklung eines Zwillings kommen. Bei einer monochorialen-monoamnioten Schwangerschaft kann zudem die Gefahr von siamesischen Zwillingen oder Nabelschnurumwicklungen bestehen. Nicht zuletzt kann diese Untersuchung aber auch Hinweise darauf liefern, ob es sich um ein- oder zweieiige Zwillinge handelt.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Zwillinge
Von frühen Trennungen und Leben im Doppelpack

Zwei Kinder auf einmal
Wie Zwillinge entstehen

Immer mehr Zwillinge
Wie häufig sind Zwillinge – und warum?

Identisch – aber nur fast
Wie entstehen die Unterschiede bei eineiigen Zwillingen?

Zwillinge in der Forschung
Anlage oder Umwelt

Ein besonderes Band
Auswirkungen des „Zwilling-Seins“

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