Kaum ist Francis Drake im September 1578 mit seinen Schiffen im „Stillen Ozean“ unterwegs, macht das Meer seinem Namen überhaupt keine Ehre. Denn dort weht nicht nur ein laues Lüftchen, sondern es tobt ein gewaltiger Sturm, der fast zwei Monate dauert. Es ist ein Wunder, dass nur ein weiteres Schiff, die Marygold, diesem verheerenden Unwetter Tribut zollen muss und für immer im Meer versinkt. Die beiden anderen werden jedoch weit von ihrem geplanten Kurs abgebracht und verlieren sich schließlich aus den Augen. Die Elisabeth tritt kurze Zeit später die Heimreise an.
Wichtige geographische Entdeckungen
Die Männer auf der Golden Hinde lassen sich aber nicht entmutigen und trotzen erfolgreich den widrigen Wetterbedingungen. Weit nach Süden abgetrieben – das können sie mithilfe von nautischen Geräten wie Quadrant, Jakobsstab und Astrolabium feststellen – gelingen Drake sogar erstaunliche Beobachtungen. So stellen sie fest, dass das Land südlich der Magellanstraße keineswegs zum sagenumwobenen Südkontinent Terra Australis gehört, wie bis dahin von vielen vermutet. Auf Feuerland folgen stattdessen nur noch ein paar Inseln und Wasser, viel Wasser. Die Seefahrer stoßen angeblich auch als erste Europäer auf Kap Hoorn, dass sie selbst Kap „Elisabetha“ taufen.
Anschließend kämpft sich die Golden Hinde langsam aber sicher nach Norden vor und passiert dabei große Teile der Westküste Südamerikas. Erstmals Station machen die Engländer auf der Insel Mocha vor der chilenischen Küste, wo Drake von Einheimischen bei einem Landgang zwei gefährliche Wunden zugefügt werden. Sie verheilen allerdings schnell. Immer weiter Richtung Äquator geht anschließend die Reise, wobei so manches Schiff und so manche spanische Siedlung überfallen und ausgeraubt werden. Die Engländer stoßen dabei meist auf wenig Widerstand, obwohl sich die Nachricht von der Ankunft des bekannten und gefürchteten Piraten längst wie ein Lauffeuer verbreitet hat.
Der vielleicht riskanteste und listigste Coup gelingt den Engländern schließlich in Callao, dem Hafen von Lima. Dort schleichen sie sich zunächst unerkannt an bis zu 30 spanische Schiffe heran – allerdings ohne große Beute zu machen. Als die Anwesenheit des feindlichen Schiffes schließlich doch entdeckt wird, gelingt Drake und seinen Gefolgsleuten unbeschadet die Flucht.
„Feuerscheißer“ im Visier
Er hat ohnehin längst ein neues Ziel im Auge. Von einem spanischen Kapitän hat der Pirat erfahren, dass vor kurzem das spanische Schiff „Nuestra Sennora de la Concepción“ von Callao aus Richtung Panana gestartet ist. Sie hat Unmengen an Gold, Silber und anderen Wertgegenständen an Bord. Diese fette Beute – in der Seefahrersprache auch Prise genannt – will sich Drake auf keinen Fall entgehen lassen. Er macht sich auf die Verfolgung des Schiffes.
Am 1. März 1579 hat er die „Nuestra Sennora de la Concepción“ vor der Westküste Kolumbiens endlich eingeholt. Im Handstreich kapert er die spanische Galeone, die wegen der vielen Kanonen an Bord den Spitznamen „Feuerscheißer“ (spanisch Cacafuego) trägt. 40 Kilogramm Gold, Tonnenweise Silberbarren und unzählige Silbermünzen wechseln den Besitzer und verschwinden in den Lagerräumen der Golden Hinde. Die spanische Mannschaft und die Concepción werden – wie so oft bei Drake – geschont und ein paar Tage später wieder freigelassen.
Mit gewaltigen Schätzen beladen, denkt Drake nun an eine baldige Heimreise. Vielleicht kann er ja die legendäre Nordwestpassage finden, die nördlich von Amerika den Atlantik mit dem Pazifik verbindet soll. An diesem Vorhaben sind allerdings schon viele Seefahrer, darunter der Engländer Martin Frobisher gescheitert. Und auch Drake muss auf seinem Weg nach Norden irgendwann einsehen, dass eine Weiterfahrt aufgrund des frostigen Wetters keinen Sinn mehr macht. Vermutlich kommen die Seefahrer aber immerhin bis nahe Vancouver Island in Kanada, bevor sie endgültig umkehren – Rekord, zumindest für Europäer.
Dieter Lohmann
Stand: 02.09.2011