Bäume spielen in der Geschichte des Menschen eine besondere Rolle. „Kein anderes Geschöpf ist mit dem Geschick der Menschheit so vielfältig, so eng verknüpft wie der Baum“, schreibt der Kulturhistoriker Alexander Demandt. Für ihn beginnt die kulturelle Beziehung zwischen Mensch und Baum mit dem Feuer, das der Blitz in die Bäume schlug. Kannten unsere Urahnen brennende Wälder zunächst als zerstörerische Naturgewalt, lernten sie später, Wildfeuer zu zähmen und schließlich sogar selbst Feuer zu entfachen.
Unsere Vorfahren konnten nun Nahrung erhitzen und durch Räuchern haltbar machen. Zugleich boten die Flammen Wärme, Licht und Schutz vor Raubtieren. Doch das Holz diente den Steinzeitmenschen nicht nur als Brennmaterial. Sie verwendeten es auch für Werkzeuge und Waffen. Schon die Neandertaler benutzten etwa Holzsplitter wie eine Art Zahnstocher, frühe Jäger nutzten Holzspeere für die Jagd und Steinzeitkünstler malten mit Holzkohle Bilder an Felswände.
Holz- und Obstlieferant
Das Holz der Bäume wurde im Laufe der Entwicklung des Menschen zunehmend zum bedeutenden Rohstoff – trotz moderner Materialien wie Stahl und Beton ist es noch heute eines der wichtigsten Bau- und Werkstoffe weltweit. Doch nicht nur als Holzlieferant sind Bäume für den Menschen von Bedeutung. Auch ihre Blüten, Blätter, Früchte und Samen haben wir für uns entdeckt – ob als Ausgangsstoff für Farbstoffe, Aromageber für Tees oder Vitamin- und Energielieferant.
Besonders der Obstanbau ist in vielen Regionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Tatsächlich waren Obstbäume auch die ersten Kulturpflanzen, die Menschen anbauten, als sie begannen, sich vom Jäger und Sammler-Dasein abzuwenden. Weniger lukrativ, dafür aber umso beliebter ist eine weitere von Bäumen zur Verfügung gestellte Ressource: Schatten.
Sitz der Götter
Dass Bäume das Leben der Menschen seit Jahrtausenden mitgestalten, zeigt sich auch darin, dass sie tief in unserem Denken verwurzelt sind. Egal ob wir „Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen“, vom Stammbaum des Lebens sprechen oder „auf dem Holzweg“ sind – im alltäglichen Sprachgebrauch sind Bäume omnipräsent.
Auch im Kontext religiöser Traditionen und Brauchtum sind die Pflanzen allgegenwärtig. So gelten Bäume in vielen alten Kulturen als Sitz von Göttern und Geistern. Kelten, Slawen, Germanen und Balten verehrten einst in Götterhainen Bäume. Die Römer feierten den Jahreswechsel mit grünen Zweigen und bei der Wintersonnenwende diente ein geschmückter Baum als Symbol des Neuanfangs: Er sollte die Wiederkehr des Lichts und den Sieg des Lichtgotts Mithras ehren.
Von Weihnachts- bis Maibaum
In der biblischen Schöpfungsgeschichte spielen der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis eine zentrale Rolle. Auch christliche Heilige erscheinen den Legenden zufolge häufig in der Nähe von Hainen und Bäumen – rund um die Gewächse sind deshalb viele Wallfahrtsorte entstanden.
Die Symbolkraft der Bäume ist durch alle Epochen hindurch lebendig geblieben. Noch heute gilt der Pfirsichbaum in China als Baum der Unsterblichkeit. Der Bodhibaum, unter dem Buddha Erleuchtung fand, ist im Buddhismus ein Symbol des Erwachens. Und bei uns zeugen Weihnachtsbaum, Osterstrauch und Maibaum davon, dass Bäume noch immer unser kulturelles Leben prägen.
Daniela Albat
Stand: 28.10.2016