Archäologie

35.000 Jahre altes „Eiszeit-Pferd“ ist keins

Neuentdecktes Fragment enthüllt wahre Gestalt einer Eiszeit-Skulptur

Eiszeitkunst
35.000 Jahre alte Elfenbein-Figur aus der Hohle-Fels-Höhle. © Ria Litzenberg/ Universität Tübingen

Überraschende Wandlung: Diese 35.000 Jahre alte Skulptur aus Mammut-Elfenbein galt 20 Jahre lang als Darstellung eines eiszeitlichen Wildpferds. Denn zunächst wurde nur der Kopf der Figur in der Hohle-Fels-Höhle der Schwäbischen Alb entdeckt. Erst jetzt haben Archäologen auch einen Teil des Rumpfes von diesem Eiszeit-Kunstwerk entdeckt. Er enthüllt: Die Skulptur zeigt nicht ein Pferd, sondern einen Bären.

Die Höhlen der Schwäbischen Alb waren schon für unsere Vorfahren ein wichtiges Refugium: Schon vor gut 40.000 Jahren suchten erste Gruppen des Homo sapiens dort Schutz vor dem Wetter, verzehrten ihre Jagdbeute und schnitzten einige der frühesten Kunstwerke der Menschheitsgeschichte. Davon zeugen aus Knochen- und Mammut-Elfenbein geschnitzte Skulpturen von Mammuts und Löwen sowie die berühmte Venus vom Hohle Fels. Auch 40.000 Jahre alte Knochenflöten wurden in den Höhlen entdeckt.

Erst der Kopf und jetzt der Rumpf

Unter den Funden aus der Hohle-Fels-Höhle war im Jahr 1999 auch der Kopf einer 35.000 Jahre alten, aus Elfenbein geschnitzten Tierfigur. Aufgrund der Kopfform und feinen Einritzungen ordneten Archäologen diesen Fund als Teil einer Pferdeskulptur ein. Das „Eiszeit-Pferd“ wurde gut 20 Jahre lang unter dieser Annahme im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren ausgestellt.

Doch jetzt werfen neue Funde aus der Hohle-Fels-Höhle ein neues Licht auf diese Eiszeit-Skulptur. Archäologen entdeckten bei aktuellen Ausgrabungen ein weiteres, von den Eiszeitmenschen bearbeitetes Elfenbeinstück. Das rund vier Zentimeter lange und 2,50 Zentimeter hohe Fragment trägt auf einer Seite mehrere fein eingravierte Linienmuster und passt in Form und Machart zum schon bekannten Kopf: Das Fragment bildet die rechte Schulter und den Brustkorb des Tieres. Ein weiteres, kleineres Bruchstück ließ sich ebenfalls in die rechte Rumpfseite einpassen.

Bär oder doch ein Höhlenlöwe?

Durch diese Ergänzung bekommt der vor gut 20 Jahren gefundene Kopf nun erstmals auch einen Körper – doch dieser passt nicht mehr zu einem Pferd. „Wir können die dargestellte Tierart noch nicht sicher bestimmen, aber es könnte ein Höhlenlöwe oder ein Höhlenbär sein“, berichtet Nicholas Conard von der Universität Tübingen. „Die Figurine hat nun einen massigen Körper, zeigt den typisch ausgeprägten Bärenbuckel in Schulterhöhe und präsentiert sich in einer Körperhaltung, die den trottenden Gang eines Bären nachahmen könnte.“

Andere Archäologen schreiben der Figur eher die Merkmale eines Höhlenlöwen zu. „Es ist keineswegs immer einfach, eiszeitliche Darstellungen verbindlich zu bestimmen, besonders wenn sie so bruchstückhaft erhalten sind“, erklärt Conard. „Daher bleibt es sinnvoll, in den kommenden Jahren besonders aufmerksam nach den fehlenden Teilen dieses Tiers zu suchen.“ Zurzeit durchsuchen Forschende die aus der Hohle-Fels-Höhle stammenden Artefakte bereits nach möglichen weiteren Fragmenten dieser Figur.

„Diese Figur zeigt uns und unseren Besuchern, wie keine andere, dass die archäologische Arbeit niemals abgeschlossen ist“, sagt Stefanie Kölbl, Direktorin des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren (urmu). „Es ist faszinierend, die Ausgräber mit Lupe und Pinzette bei ihrer Arbeit zu sehen. Wir dürfen daher hoffen, diese Figur irgendwann vervollständigen zu können.“

Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen

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