Diese Gottesanbeterin beißt kräftig zu – im Dienst der Wissenschaft. Denn ihr „Opfer“ ist in diesem Fall ein speziell konstruiertes Messinstrument, mit dem Forschende die Bisskraft von Insekten messen können. Es besteht aus zwei Sensorplättchen, die beim Biss zusammengedrückt werden. Je stärker die Auslenkung, desto kräftiger ist der Biss des Tieres. Die Biologen wollen damit unter anderem erforschen, wie sich Kiefer, Kopfform und Muskeln der Insekten an ihre Lebensweise angepasst haben.
Gottesanbeterinnen sind für ihre furchteinflößende und effektive Jagdtechnik berühmt: Erspähen diese Fangschrecken eine Beute, schnellen ihre dornenbewehrten Fangbeine blitzschnell vor und packen das Tier, um es anschließend zu verspeisen. Als Beute dienen nicht nur Insekten, sondern auch kleine Wirbeltiere wie Fische, Eidechsen, Schlangen und sogar Vögel. Selbst ihre Paarungspartner sind nicht vor den Fangbeinen und dem starken Gebiss dieser Raubinsekten sicher.
Metallplättchen als Beißmesser
Doch wie kräftig ist das Gebiss der Gottesanbeterin? Und wie stark können andere Insekten und Spinnentiere zubeißen? Um das zu messen, haben Peter Rühr von der Universität Bonn und seine Kollegen ein spezielles Instrument entwickelt. Dieses besteht aus zwei mit geringem Abstand übereinander angebrachten Metallplättchen, von denen das untere fest, das obere aber beweglich ist. “Je nach Größe und Öffnungswinkel der Kiefer verwenden wir unterschiedlich große Beiß-Plättchen, die sich austauschen lassen”, erläutert Rühr.
Wenn nun das Testinsekt zubeißt, drückt es das obere Plättchen herunter und dessen Bewegung wird auf einen Piezokristall übertragen. Der Kristall erzeugt kraftabhängig eine elektrische Spannung, die über einen Verstärker auf ein Laptop mit einer Auswert-Software übertragen wird. Auf dem Bildschirm erscheinen dann Kurven, die manchmal steil ansteigen, manchmal langsamer – je nachdem wie schnell sich das jeweilige Insekt der Maximalkraft beim Zubeißen annähert.
Evolutionärer Kompromiss
“Wie stark Insekten zubeißen können, dazu liegen kaum Daten vor”, berichtet Rühr. Mit ihrem Sensorsystem “forceX” wollen er und sein Team untersuchen, wie sich Kiefer, Muskulatur und die Kopfform von Insekten evolutiv an die Herausforderungen ihrer jeweiligen Umgebung und Lebensweise angepasst haben. “Nicht für jedes Insekt ist es vorteilhaft, stark zubeißen zu können, da hohe Beißkräfte auch mit höheren energetischen Kosten für das Tier einhergehen”, sagt Rühr. Die Beißkraft kann etwa davon abhängen, welche Nahrung ein Insekt zu sich nimmt oder ob es die Kiefer zur Verteidigung braucht.
Beim Bisstest lassen sich die Gottesanbeterin und andere Insekten meist nicht lange bitten, bevor sie zubeißen. Sie fühlen sich in der fremden Umgebung unwohl und wehren sich mit Abwehrbissen. Bleibt dieses instinktive Verhalten aus, streichen ihnen die Forschenden mit einem zarten Pinsel über den Kopf – spätestens dann schließen die Insekten ihre Kiefer. Mit dem System lassen sich aber auch die Kräfte von Skorpions- oder Krebsscheren messen.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn