Technik

Bunte Textilfasern aus Gelatine

Neue Technologie könnte die Modebranche nachhaltiger machen

Textilfasern aus Gelatine
Dieser Regenbogen aus Gelatinefasern könnte die Zukunft der Modebranche sein. © Utility Research Lab

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein bekanntes Spielzeug aus den Neunzigern, das wie von Geisterhand bewegt Treppenstufen hinuntersteigen konnte, ist in Wirklichkeit der Rohstoff für nachhaltige Mode. Denn auf dem Foto sind leicht abbau- und recycelbare Textilfasern aus Gelatine zu sehen. Entstanden sind sie mithilfe einer neuartigen Maschine, die das Entwickeln von Kleidung aus wasserlöslichen Biofasern zum Trend unter aufstrebenden Designern machen soll.

Die Modeindustrie hat ein Nachhaltigkeitsproblem. Vor allem der Trend zur sogenannten „Fast Fashion“ sorgt dafür, dass eine hippe Kollektion immer schneller die nächste jagt. Sind die billig hergestellten und kurz getragenen Kleidungsstücke dann out, landen sie auf stetig wachsenden Müllbergen. Recyceln lässt sich so gut wie nichts davon, weil die Hersteller auf einen Mix verschiedener Textilfasern setzen, der sich im Nachgang nur schwer wieder auseinanderdividieren lässt.

Wasserlösliche Biofasern für mehr Nachhaltigkeit

Doch was lässt sich gegen das Problem tun? Am wirksamsten wäre es wahrscheinlich, wenn sich der bisherige Kundenstamm einfach geschlossen gegen das Modell „Fast Fashion“ stellt, aber das ist natürlich unrealistisch. Nehmen wir daher stattdessen an, dass der Bedarf nach immer neuen Kollektionen und Styles unaufhaltsam ist, wir ihn aber immerhin in eine nachhaltige Richtung lenken können. So lautet zumindest der Ansatz eines Forschungsteams um Eldy Lázaro Vásquez von der University of Colorado in Boulder.

Um die Modeindustrie nachhaltiger zu gestalten, haben Lázaro Vásquez und ihr Team eine handliche Maschine für aufstrebende Modedesigner entwickelt, mit der diese neue nachhaltige Materialien so einfach und günstig entwickeln können wie nie zuvor. Die Maschine passt dabei auf jeden Schreibtisch und kostet in der Herstellung 560 US-Dollar. „Mit dieser Art von Prototyping-Maschine kann jeder Fasern herstellen. Man braucht nicht die großen Maschinen, die es nur in den Chemieabteilungen der Universitäten gibt“, erklärt Lázaro Vásquez.

Die Idee: Möglichst viele Designer für neue Kreationen aus Biofasern inspirieren, die sich ganz einfach auflösen und zu neuen Textilien recyclen lassen, wenn T-Shirt, Hose und Co. nicht mehr gefallen. Damit wäre der Fast-Fashion-Mentalität genüge getan, ohne dass gleichzeitig die Umwelt darunter leiden muss.

Ein Baukasten mit endlosen Möglichkeiten

In ersten Tests hat das Team mit der Maschine zum Beispiel bereits bunte Fasern aus Gelatine entwickelt, die sonst im Abfall der Schlachthäuser gelandet wäre. Das Ergebnis ist auf dem obigen Foto zu sehen. Theoretisch wäre es aber auch möglich, ähnliche Fasern aus allen möglichen natürlichen Materialien zu spinnen: zum Beispiel aus dem Chitin von Krabbenschalen oder aus Agar-Agar aus Algen.

Der Ablauf der Faserentstehung bleibt dabei stets derselbe: Man erstellt eine Lösung aus den gewünschten Biomaterialien und füttert die Maschine damit. Die flüssige Grundmasse gelangt zunächst in eine Plastikspritze, wo sie erhitzt und in Form zarter Tröpfchen herausgepresst wird. Anschließen ziehen zwei Walzensätze an der Mixtur und dehnen sie zu langen, dünnen Fasern aus – ein wenig wie eine Spinne, die ein Netz webt. Dabei durchlaufen die Fasern auch Flüssigkeitsbäder, in denen man sie mit biobasierten Farb- und Zusatzstoffen behandeln kann, die sie je nach Bedarf robuster, elastischer oder farbig machen.

Die auf diese Weise entstandenen Fasern fühlen sich laut Lázaro Vásquez und ihrem Team ein wenig an wie Flachsfasern und können nun zur Herstellung aller möglichen Kleidungsstücke genutzt werden. Gefallen T-Shirt, Jacke und Co. irgendwann nicht mehr, kann man sie theoretisch einfach in heißes Wasser legen und dabei zuschauen, wie sich die Fasern innerhalb von Minuten oder im Extremfall auc mal einer Stunde auflösen.

Intelligente Textilien profitieren besonders

Lázaro Vásquez und ihre Kollegen hoffen nun, dass möglichst viele aufstrebende Modedesigner ihre Maschine nutzen, um damit zu experimentieren und neue Kreationen zu entwerfen. Einen besonderen Markt sieht das Team bei sogenannten „intelligenten Textilien“, in denen verschiedene smarte Sensoren verwebt sind. So lässt sich die Kleidung zum Beispiel mit dem Smartphone verbinden oder für medizinische Zwecke nutzen.

Bisher gestaltete sich das Recycling solcher Stoffe extrem schwer, da nicht nur verschiedene Textilfasern voneinander getrennt werden mussten, sondern auch Kupferfäden und Elektronik. Bestünden die Textilfasern jedoch aus wasserlöslichen Naturstoffen, würde das die Sache deutlich vereinfachen. (Proceedings of the CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 2024; doi: 10.1145/3613904.3642387

Quelle: University of Colorado at Boulder

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