Dieses geheimnisvolle Gebilde sieht aus wie eine futuristische Skulptur, ist aber ein Werkzeug der Wissenschaft. Zu sehen ist hier eine Magnetspule, mit der ein energiereicher Teilchenstrahl im Teilchenbeschleuniger des Fermilab in den USA fokussiert wird. Mithilfe dieser Anlage haben Physiker erstmals Neutrinos genutzt, um die Struktur des Protons zu erforschen. Sie schießen dabei die leichten „Geisterteilchen“ auf Wasserstoffkerne.
Das Proton ist einer der Grundbausteine der Materie – und doch gibt es noch viele Rätsel auf. So gibt es Uneinigkeit über seine wahre Größe und auch das Verhalten und die innere Struktur dieses aus drei Quarks bestehenden Teilchens ist erst in Teilen geklärt. Physiker versuchen daher mit immer neuen Methoden, den Geheimnissen dieses so wichtigen Atomkern-Bausteins auf die Spur zu kommen.
Leichte Teilchen als Analysehelfer
Eine dieser neuen Methoden ist der Beschuss mit Neutrinos. Ein Team um Tejin Cai von der University of Rochester in New York hat diese fast masselosen, bei kosmischen Prozessen, Teilchenkollisionen und radioaktiven Zerfällen entstehenden Elementarteilchen erstmals als eine Art Mikroskop für die Untersuchung von Photonen eingesetzt. „Wir waren nicht sicher, ob es funktionieren kann, aber wir haben festgestellt, dass wir de Neutrinos nutzen können, um die Größe und Form von Protonen zu messen“, erklärt Cai.
Die Schwierigkeit dabei: Neutrinos interagieren kaum mit Materie, Milliarden von ihnen rasen in jeder Sekunde durch unseren Körper, ohne dass wir dies merken. Um Kollisionen dieser „Geisterteilchen“ mit Protonen zu provozieren, benötigten die Forscher des MINERvA-Experiments daher einen extrem intensiven Neutrinostrahl. Diesen lieferte ihnen die Beschleunigeranlage des Fermi National Accelerator Laboratory, kurz Fermilab. Der NuMI-Beam erzeugt einen der stärksten Neutrinostrahlen der Welt.
Neutrino-Streuung verrät Proton-Merkmale
Diese Aufnahme zeigt ein entscheidendes Bauteil für das Experiment. Dieser gewundene supraleitende Magnet fokussiert Teilchenstrahlen und ermöglicht die Produktion der Neutrinos in der NuMI-Anlage. Die dabei erzeugten „Geisterteilchen“ werden dann im MINERvA-Detektor auf ein massives Ziel aus Wasserstoff und Kohlenstoffatomen geschossen. Ein winziger Teil der Neutrinos kollidiert dabei mit den Protonen im Wasserstoffatom und wird gestreut.
„Aus den Streuwinkeln der abgelenkten Teilchen können wir wertvolle Informationen über die Struktur unseres Zielobjekts gewinnen“, erklärt Cais Kollege Kevin McFarland. Die Physiker sehen in ihrem neuartigen Neutrino-Mikroskop eine Ergänzung zu bisherigen Methoden der Protonenerforschung – ähnlich der Betrachtung eines makroskopischen Objekts in verschiedenen Wellenlängen. „Man sieht dieselbe Blume, aber in verschiedenen Lichtwellenlängen erkennt man unterschiedliche Strukturen“, so McFarland. „Ähnlich ist dies auch mit unserer Neutrino-Messung.“ (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-022-05478-3)
Quelle: Fermi National Accelerator Laboratory, Rochester University