Die Idylle trügt: Das Licht der Mitternachtssonne taucht diesen gewaltigen Eisberg in der grönländischen Diskobucht in ein sanft-gelbes Licht. Doch auch in dieser bekanntesten Bucht Grönlands tauen die Gletscher. Momentan verliert Grönland insgesamt 254 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr – das ist siebenmal mehr als noch vor 30 Jahren, wie eine aktuelle Bilanz ergeben hat.
Grönland ist das zweitgrößte Eisreservoir der Erde, gleichzeitig aber gehört es zu den Regionen, in denen das Eis am schnellsten taut. Schon im Jahr 2018 berichteten Forscher, dass der Eisverlust dort nicht linear verläuft, sondern exponentiell zugenommen hat. Das Eis der Grönlandgletscher reagiert demnach heute sensibler auf Temperaturanstiege als früher. Hinzu kommt, dass der grönländische Eisschild durch Risse, subglaziale Seen und gigantische Wasserfälle im Eis zusätzlich destabilisiert wird.
Schon die Wikinger landeten hier
Diese Aufnahme zeigt einen Gletscher in einer der bekanntesten Buchten Grönlands – der Disko Bay. In dieser Bucht landete vor gut tausend Jahren schon der Wikinger Erik der Rote und gründete eine der ersten Siedlungen der Nordmänner auf dieser zuvor nur von Inuit bewohnten Insel. Im 15. Jahrhundert jedoch gaben die Wikinger ihre grönländischen Siedlungen wieder auf – warum ist strittig. So gibt es Hinweise auf eine Abkühlung des Klimas, durch die die Diskobucht immer häufiger selbst im Sommer zugefroren blieb. Andere Studien sprechen eher gegen eine solche Kleine Eiszeit.
In die Bucht münden mehrere Küstengletscher, deren Zungen bis in das Wasser hinausragen. Immer wieder kalben an der Eiskante große Eisberge ab – eigentlich ein ganz natürlicher Vorgang. Aber die Kalbungsrate und damit der Eisverlust der Gletscher steigen. Wie viel Eis Grönland insgesamt schon verloren hat, belegt jetzt die bisher umfangreichste Bilanz der grönländischen Eisschmelze. 96 Forscher von 50 Forschungseinrichtungen haben dafür Daten zusammengetragen und ausgewertet.
Ihr Ergebnis: Seit 1992 hat Grönland 3,8 Billionen Tonnen Eis verloren – allein das dabei entstandene Schmelzwasser hat den Meeresspiegel um 10,6 Millimeter angehoben. Doch die Eisschmelze beschleunigt sich auch immer weiter. Den Daten zufolge hat der Masseverlust des Grönlandeises von jährlich 33 Milliarden Tonne in den 1990er auf heute 254 Milliarden Tonnen pro Jahr zugenommen – das entspricht einer Steigerung um das Siebenfache in rund 30 Jahren. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1855-2)
Quelle: Nature, University of Leeds