Dieses fragil-schöne Gebilde ist eine Segelqualle. Dank ihres aufrechten „Segels“ aus fast transparentem Gewebe lässt sie sich vom Wind in neue Gefilde tragen. Dabei gerät sie inzwischen immer häufiger in die Müllstrudel der Ozeane – riesige Teppiche aus treibendem Plastikmüll. Inmitten dieser Kunststoffteile beobachteten Wissenschaftler sogar mehr Segelquallen, Krebse und andere im Wasser schwebende Meerestiere als anderswo.
Sie sind die größten Müllhalden unseres Planeten: Im Pazifik, aber auch in anderen Meeresgebieten, treiben Strömungen menschliche Plastikabfälle zu gewaltigen schwimmenden Müllstrudeln zusammen. In ihnen übertrifft die Masse der Kunststoffteile die des Planktons und anderer Meeresbewohner bei weitem. Mindestens fünf solcher Müllstrudel haben Forscher bisher ausgemacht, der größte von ihnen, der Great Pacific Garbage Patch, liegt zwischen Hawaii und der Küste von Kalifornien.
Eine Polypenkolonie mit Segel
Doch wie wirken sich diese schwimmenden Müllteppiche auf die an der Meeresoberfläche schwimmenden Meeresbewohner aus? Viele dieser Organismen bewegen sich nicht aktiv schwimmend, sondern treiben – ähnlich wie das Plastik – passiv mit den Strömungen und Winden mit. Zu ihnen gehört auch die hier abgebildete Segelqualle (Velella velella). Dieses Nesseltier besteht aus einer Kolonie winziger Polypentierchen, die gemeinsam eine Art Floß mit Segel bilden.
Das rund vier Zentimeter lange, ovale Floß der Segelqualle besteht aus einem Chitingerüst, das luftgefüllte Kammern umschließt. Umhüllt wird das Ganze von einem Mantel aus weicherem, gallertartigem Gewebe, wie man es auch von anderen Quallen kennt. Am Rand des Floßes sitzen speziell der Abwehr dienende Polypen mit giftgefüllten Nesselzellen, an der Unterseite ermöglichen spezielle Fresspolypen die Nahrungsaufnahme. Die Segelquallen kommen nahezu weltweit in den wärmeren Meeren der Tropen und Subtropen vor, aber auch im Mittelmeer.
In den Müllstrudel verdriftet
Auch die Segelquallen und andere passiv treibende Meeresbewohner sind von der zunehmenden Ansammlung von Plastikmüll in den Meeren betroffen. Denn mit den vorherrschenden Meeresströmungen werden diese sogenannten Neuston-Organismen in die großen Wirbel der Ozean getrieben und sammeln sich dort, wie ein Team um Fiona Chong von der University of Hull in England während einer Expedition in den nordpazifischen Müllstrudel beobachtet hat.
„Wir haben festgestellt, dass die Dichte der treibenden Lebensformen im Zentrum des Müllstrudels deutlich höher war als an seinen Rändern und dass es für Arten wie Velella einen Zusammenhang zwischen ihrer Häufigkeit und der Plastikdichte gab“, berichtet das Team. Mit anderen Worten: Dort, wo besonders viel Plastikmüll zusammengetrieben wird, landen auch besonders viele Segelquallen. Auch bei zwei anderen Neuston-Spezies – der Veilchenschnecke (Janthina janthina) und der eng mit der Segelqualle verwandten Blauknopfqualle (Porpita porpita) – beobachteten die Forschenden Ähnliches.
„Futterstelle, Brutplatz und Habitat“
Nach Ansicht von Chong und ihren Kollegen belegt dies, dass der sich ansammelnde Plastikmüll im Meer gerade solche passiv treibenden Organismen stärker beeinträchtigen könnte als bisher angenommen. Denn sie können nicht verhindern, dass sie mit den Strömungen und dem Wind genau dorthin getrieben werden, wo die Meeresverschmutzung am größten ist. Gleichzeitig sind die großen ozeanischen Strömungswirbel für diese Meeresbewohner ein wichtiger Lebensraum: „Sie sind Futterstellen, Brutplätze und Habitat zugleich“, so die Forschenden. Die Anreicherung von Plastikteilen und Mikroplastik in den Strömungswirbeln könnte diese wichtigen Funktionen stören.
„Der ‚Garbage Patch‘ ist mehr als nur ein Müllstrudel: Er ist auch ein Ökosystem – nicht wegen des Plastiks, sondern trotz des Plastikmülls“, betont Seniorautorin Rebecca Helm von der Georgetown University in Washington DC. (PLOS Biology, 2023; doi: 10.1371/journal.pbio.3001646)
Quelle: PLOS