Dieser Schnappschuss enthüllt ein Verhalten von Meeresschildkröten, das selbst Biologen verblüfft hat. Denn er zeigt, dass die Reptilien ihre Flossen nicht nur zum Schwimmen und Kriechen nutzen, wie bisher gedacht. Stattdessen können sie damit auch Beute festhalten, greifen und manipulieren.
Bei Meeressäugern kennt man das: Sie setzen ihre zu Flossen umgebildeten Vorderbeine auf vielfältige Weise ein – fast wie wir Menschen unsere Arme und Hände. Sie können Objekte greifen, Beute umklammern und auch damit wedeln oder schlagen.
Obwohl auch Meeresschildkröten Flossenbeine haben, galten diese aber bisher als reine Schwimm- und Laufhilfen. Als evolutionär eher alte Reptilien besitzen Schildkröten zudem deutlich weniger mentale Fähigkeiten, um so komplexe Bewegungen auszuführen – so jedenfalls dachte man bisher. „Meeresschildkröten haben keine unabhängig voneinander beweglichen Handglieder, kein soziales Lernen und auch keinen sonderlich entwickelten frontalen Cortex“, erklärt Kyle Van Houtan vom Monterey Bay Aquarium.
Doch nun belehren Fotos und Videoaufnahme von Meeresschildkröten die Biologen eines Besseren. Die im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts gesammelten Aufnahmen enthüllen, dass Meeresschildkröten ihre Flossen für eine überraschende Fülle von Aufgaben einsetzen. Sie halten Futter fest, schaufeln damit Sediment weg, wedeln loses Futter zu sich heran und schlagen damit sogar ihre Beute um sie zu betäuben.
In dieser Aufnahme sieht man, wie eine Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas) eine Mosaikqualle (Thysanostoma thysanura) festhält. Was auf den ersten Blick aussieht wie der aufgeblähte Bauch der Schildkröte, ist die blasse Oberseite der mit dem oberen Teil der Flossen eingeklemmten Qualle. Die Aufnahme wurde von Rich Carey vor der Küste der Similan-Inseln in Thailand gemacht.
„Wir erwarten solche Verhaltensweise normalerweise bei intelligenten, anpassungsfähigen und sozialen Tieren“, sagt Van Houtan. „Aber die Meeresschildkröten kennen ihre Eltern nicht und haben nie von ihrer Mutter gelernt, wie man auf diese Weise Beute greift. Es ist erstaunlich, dass sie diese Fähigkeiten ohne jede Anleitung entwickeln und ohne dass ihre Flossen sonderlich gut für solche Aufgaben geeignet wären.“ (PeerJ, 2018; doi: 10.7717/peerj.4565)