Technik

Überschall ohne Knall

NASA stellt ersten leisen Überschalljet vor

X-59
Der leise Überschalljet X-59 ist gerade offiziell der Öffentlichkeit präsentiert worden. © Lockheed Martin/ Garry Tice

Könnte dieser spitznasige Jet die Zukunft der Luftfahrt sein? Das hofft zumindest die NASA, die ihre X-59 gerade offiziell in Kalifornien vorgestellt hat. Wenn dieses neuartige Überschall-Flugzeug die Schallmauer durchbricht, soll es lediglich so laut sein wie eine zugeschlagene Autotür. Das würde solche schnellen Flieger deutlich leiser machen als einst die Concorde oder militärische Düsenjets – und könnte eine neue Ära der zivilen Überschall-Luftfahrt einläuten.

In dreieinhalb Stunden von Europa nach New York? Was mit normalen Passagiermaschinen unmöglich erscheint, wird mit einem Überschall-Flugzeug zum Klacks. Allerdings ist diese Art zu reisen bereits seit den frühen 2000er Jahren verboten. Dazu trug unter anderem der Absturz einer Concorde-Maschine am Pariser Flughafen bei, der dem Überschallreisen einen nachhaltigen Imageschaden verpasst hat. Doch auch der enorme Treibstoffverbrauch und der laute Knall, den Überschallflugzeuge beim Durchbrechen der Schallmauer erzeugen, besiegelten schließlich das Ende von Concorde und Co.

Zweite Chance für den Überschall-Flug?

Die Idee des Überschallreisens bleibt allerdings verlockend. In nur wenigen Stunden jeden Ort auf dem Planeten erreichen zu können, ist für Businessleute und Touristen gleichermaßen interessant. Daher versuchen mehrere private Unternehmen, aber auch die NASA, eine zweite Ära des Überschallfliegens einzuläuten. Dafür entwickeln sie Überschall-Flugzeuge, die durch ihr Design besonders leise und sparsam sein sollen. Eines von ihnen ist die gerade vorgestellte X-59 der NASA.

Der Jet ist rund 30 Meter lang und zehn Meter breit und sieht von oben aus wie ein extrem spitz zulaufendes Dreieck. Tatsächlich macht die dünne, spitze Nase des Flugzeugs fast ein Drittel seiner Länge aus. Diese ungewöhnliche Form verleiht der X-59 jedoch eine entscheidende Superkraft: Stille. Denn indem die lange Nase des Jets die Schockwellen bricht, die beim Durchbrechen der Schallmauer normalerweise einen lauten Überschallknall verursachen würden, bleibt die Geräuschexplosion aus.

So leise wie eine Autotür

Stattdessen soll lediglich ein leises Ploppen ertönen, wenn die X-59 die Schallgeschwindigkeit überschreitet. Laut NASA wäre dieses Ploppen gerade einmal so laut wie das Zuschlagen einer Autotür aus sieben Metern Entfernung. Damit das funktioniert, hat der Überschall-Flieger X-59 neben der langen Nase noch zwei weitere Besonderheiten.

Erstens befindet sich das Cockpit nicht über der Flugzeugnase, sondern liegt fast auf halber Länge des Flugzeugs. Es besitzt auch kein nach vorn gerichtetes Fenster, stattdessen haben die Piloten ihre Umgebung mit hochauflösenden Kameras im Blick. Zweitens sind die Triebwerke oben am Flugzeug angebracht. So entsteht eine glatte Unterseite, die verhindert, dass die Schockwellen hinter dem Flugzeug zusammenfließen und dort einen Überschallknall erzeugen.

Das Ziel: Überschall wieder legalisieren

Die NASA hat ihre X-59 bereits im Jahr 2018 bei dem kalifornischen Rüstungskonzern Lockheed Martin in Auftrag gegeben und für dessen Bau und Entwicklung umgerechnet rund 230 Millionen Euro bezahlt. Nun, da das Flugzeug feierlich der Öffentlichkeit präsentiert wurde, verspricht sich die NASA viel von ihm: „Die X-59 wird dazu beitragen, die Art und Weise, wie wir reisen, zu verändern und uns in viel kürzerer Zeit einander näher zu bringen“, sagt die stellvertretende NASA-Administratorin Pam Melroy.

Tatsächlich abgehoben hat der neue Jet zwar noch nicht, aber der Erstflug soll noch in diesem Jahr erfolgen. In der Theorie soll die X-59 dann in etwa 16 Kilometer Höhe und mit rund 1.500 Kilometern pro Stunde fliegen – der 1,4-fachen Schallgeschwindigkeit. Wenn die ersten Flugtests überzeugende Ergebnisse liefern, will die NASA in einem nächsten Schritt auch über verschiedene US-amerikanische Städte hinwegfliegen und dabei sowohl die Lautstärke des Flugzeugs als auch die Wahrnehmung der Menschen auswerten. Mit diesen Daten plant die US-Luft- und Raumfahrtbehörde dann, eine Wiedererlaubnis von Überschallreisen zu erwirken.

Mehrere Hersteller in den Startlöchern

Tatsächlich ist die NASA nicht der einzige Akteur mit diesem Interesse. Unter anderem arbeitet das Start-up „Boom“ gerade an seiner „Overture“ – einem Jet für bis zu 55 Passagiere. Die Ticketpreise sollen denen der heutigen Business Class ähneln, wie das Unternehmen in einer Mitteilung bekannt gab. Auch die US-amerikanische Firma Aerion werkelt zusammen mit Airbus an einem Geschäftsflieger, der bis zu zwölf Passagiere mit 1,5-facher Schallgeschwindigkeit transportieren soll.

Diese neue Generation der Überschall-Flugzeuge versucht außerdem, deutlich klimafreundlicher unterwegs zu sein als ihre Vorgänger und viel weniger Treibstoff auf ihren Reisen zu verbrauchen. Verlaufen die anstehenden Tests der NASA erfolgreich, könnte das also tatsächlich eine neue Ära des Überschallfliegens einläuten.

Quelle: NASA

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