Archäologie

Älteste 3D-Karte der Welt entdeckt

13.000 Jahre altes Sandstein-Modell zeigt reale Landschaftsformen bei Paris

Steinzeitliche Karte
Diese dreidimensionale Miniatur-Landschaft am Boden des Felsunterstands Ségognole 3 bei Paris entstand vor 13.000 Jahren. Es ist die älteste 3D-Karte der Welt. © Dr Médard Thiry

Spektakulärer Fund: Bei Paris haben Archäologen die wahrscheinlich älteste topografische Karte der Welt entdeckt. Das 13.000 Jahre alte Landschaftsmodell bildet Flüsse, Täler und Hügel der umgebenden Region im Miniaturmaßstab nach und zeigt den Lauf des Wassers durch diese Landschaft. Geschaffen wurde diese 3D-Karte durch Bearbeitung des Sandsteinbodens im steinzeitlichen Felsunterstand Ségognole 3 – dies spiegelt die handwerklichen und mentalen Fähigkeiten der Menschen in der Altsteinzeit wider, so das Team.

Karten sind heute alltäglich, doch seit wann gibt es solche Miniatur-Repräsentationen realer Landschaften? Zu den frühesten bekannten Karten gehört ein rund 9.000 Jahre altes Wandbild in der Steinzeitstadt Çatalhöyük, das einem Stadtplan ähnelt, dessen Interpretation aber umstritten ist. Eindeutiger ist hingegen die Kartenfunktion eines rund 4.000 Jahre alten Steinblocks aus der Bretagne, in dessen Oberfläche der Verlauf umgebender Flüsse eingeritzt ist.

Kartenvergleich
Vergleich der steinzeitlichen 3D-Karte mit realen Landschaftsformen der Umgebung. © Dr Médard Thiry

Täler, Hügel und Flüsse im Minimaßstab

Doch nun haben Archäologen um Médard Thiry vom Pariser Zentrum für Geowissenschaften eine noch weit ältere Karte entdeckt. Sie befindet sich in der Grotte Ségognole 3, einem Felsunterstand der Nähe von Paris, die schon länger für ihre in Sandstein eingeritzten Darstellungen zweier Wildpferde und einer Frauenfigur bekannt ist. Menschen erstellten diese Felsbilder vor rund 13.000 Jahren, indem sie vorhandenen Risse im Sandstein erweiterten, zusätzliche Ritzungen einfügten und ein Wasserrinnsale so umleiteten, dass es aus der Vulva der Frau zu fließen scheint.

Neue Untersuchungen zeigen nun, dass der Boden dieser Grotte zu einer dreidimensionalen Karte umgestaltet ist. Die Sandsteinoberfläche wurde so eingekerbt, dass sie Hügel, Täler und Flussläufe der Umgebung nachbildet und Wasserrinnsale den Lauf des Wassers durch die reale Landschaft nachbilden. „Unsere Analysen zeigen, dass die Steinzeitmenschen den Sandstein so formten, dass das Regenwasser spezifischen Wegen folgte – das ist etwas nie zuvor in der Archäologie dokumentiertes“, sagt Thiry.

Älteste Karte der Welt

Nach Angaben der Forscher handelt es sich bei diesem Fund um die älteste bekannte 3D-Karte der Welt. „Es handelt sich nicht um eine Karte im heutigen Sinne mit Entfernungsangaben, Richtungen und Reisezeiten, sondern um eine dreidimensionale Miniatur, die die Struktur einer Landschaft zeigt – vom Wasserabfluss aus den Hochebenen in Flüsse und Ströme, den Verbindungen zwischen Tälern sowie der Bildung von Seen und Sümpfen im Flachland“, erklärt Koautor Anthony Milnes von der University of Adelaide.

Damit repräsentiert diese topografische Karte die Merkmale einer Landschaft, die für die damaligen Menschen vermutlich besonders wichtig waren: „Für die Menschen der Altsteinzeit waren die Richtung des Wasserflusses und die Formen der Landschaft wahrscheinlich viel wichtiger als moderne Konzepte wie Entfernung und Zeit“, so Milnes.

Bedeutung über die Geografie hinaus

Die neu entdeckte Karte könnte darüber hinaus aber auch eine tieferliegende mystische Bedeutung für ihre Schöpfer gehabt haben, wie die Archäologen erklären. „Die Frauenfigur mit sexueller Konnotation und die Miniaturlandschaft liegen nur zwei bis drei Meter voneinander entfernt“, sagt Thiry. „Sicherlich sollten sie ihren Betrachtern einst auch den fundamentalen Zusammenhang von Leben und Natur vermitteln.“

Nach Ansicht der Forscher bietet die dreidimensionale Karte von Ségognole 3 ganz neue Einblicke in die Gedankenwelt und Fähigkeiten unserer steinzeitlichen Vorfahren vor rund 13.000 Jahren. „Diese herausragende Entdeckung zeigt klar, welche mentalen Fähigkeiten, Vorstellungskraft und Ingenieursfertigkeiten unsere frühen Vorfahren besaßen“, sagt Milnes. (Oxford Journal of Archaeology, 2024; doi: 10.1111/ojoa.12316)

Quelle: University of Adelaide

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