Archäologie

Ältester Wein der Welt entdeckt

Über 2.000 Jahre alter Weißwein aus römischer Urne ist neuer Rekordhalter

uralter Wein in einer Urne
Diese über 2.000 Jahre alte römische Glasurne fanden die Archäologen bis zum Rand mit Wein gefüllt vor. © Juan Manuel Román

Ein Genuss für die Ewigkeit: In einem römischen Mausoleum in der Nähe von Sevilla haben Archäologen den ältesten Wein der Welt entdeckt. Vor über 2.000 Jahren wurde er – wahrscheinlich als Grabbeigabe – in die Urne eines wohlhabenden Mannes gegossen und ist dort bis heute als rötliche Flüssigkeit erhalten geblieben. Das Team konnte auch herausfinden, um welchen Wein genau es sich handelt und wo er wahrscheinlich einst hergestellt wurde.

Wein war im alten Rom nicht nur wichtiger Bestandteil des alltäglichen Lebens, sondern auch des Todes. Man geht davon aus, dass das Getränk eng mit Bestattungsritualen verbunden war und dass es Verstorbenen zusammen mit anderen Grabbeigaben wie Wasser und Honig den Übergang in eine bessere Welt erleichtern sollte. Doch bislang haben Archäologen in römischen Urnen nur vergorene, eingetrocknete Weinreste gefunden – noch nie tatsächlichen, immer noch flüssigen Wein.

Eine Urne voller Wein

Umso überraschter waren Daniel Cosano von der Universität Córdoba und seine Kollegen, als sie bei Ausgrabungen in einem über 2.000 Jahre alten römischen Mausoleum in Andalusien auf eine bis zum Rand mit rötlicher Flüssigkeit gefüllte Urne stießen. „Trotz der anfänglichen Überraschung kamen wir sofort zu dem Schluss, dass die Flüssigkeit weder durch Überschwemmung oder Leckagen in der Grabkammer noch durch Kondensation in das Innere der Urne gelangt sein konnte“, erklärt das Team.

Konnte es also tatsächlich Wein sein, der sich zusammen mit der Asche eines Mannes und einem goldenen Ring in der Urne befand? Intensive chemische Analysen, mit denen Cosano und seine Kollegen unter anderem den pH-Wert der Flüssigkeit und die Zusammensetzung bestimmter Mineralsalze sowie anderer organischer Verbindungen untersuchten, brachten schließlich Klarheit: Bei der Flüssigkeit handelte es sich tatsächlich um uralten Wein, der aufgrund besonderer Erhaltungsbedingungen bis in die Neuzeit hinein überlebt hat.

Doch nicht nur das: Mit einem Alter von über 2.000 Jahren ist der Urnenwein sogar der älteste flüssige Wein der Welt. Den bisherigen Rekordhalter – die „Speyerer Weinflasche“ aus der Zeit vor 1.700 Jahren – überbietet er um mindestens 300 Jahre.

Weißwein für das Jenseits

Die Archäologen gehen davon aus, dass bei der Bestattung des römischen Mannes zunächst seine verbrannten Knochenreste in die gläserne Urne mit umgebendem Bleikasten wanderten. Dann wurden diese Relikte im Zuge eines Rituals mit Wein übergossen und durchtränkt. Das sollte dem Toten vermutlich den Weg ins Jenseits erleichtern.

Die chemische Analyse offenbarte sogar, welche Art von Wein der römischen Urne einst beigegeben wurde. Demnach deutet das Fehlen sogenannter Syringasäure darauf hin, dass es sich entgegen der mittlerweile rötlichen Farbe um einen Weißwein handelte, wie Cosano und sein Team erklären. Die charakteristische Mischung der Mineralsalze im Wein macht außerdem eine Herstellung in Montilla-Moriles – einer Weinbauprovinz im spanischen Andalusien – am wahrscheinlichsten.

Ein Ruheort für die gesamte Familie

Das passt gut ins Bild, denn auch das Mausoleum liegt nicht weit von Montilla-Moriles: in der andalusischen Stadt Carmona, 30 Kilometer von Sevilla entfernt. Im ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus entwickelte sich Carmona unter römischer Herrschaft zu einer bedeutenden Gemeinde, die über reiche Ressourcen an Weizen und Olivenöl verfügte. Bis heute sind aus dieser Zeit einige Gebäude erhalten, darunter ein Amphitheater und eine Nekropole – die größte und am besten erhaltene auf der Iberischen Halbinsel.

Zu dieser „Totenstadt“ gehört auch das Mausoleum, das 2019 bei Sanierungsarbeiten in Carmona entdeckt wurde. In dem unterirdischen Familiengrab fanden Cosano und sein Team neben der Urne mit dem Wein noch fünf weitere Ascheurnen, die jeweils in speziellen Nischen in den Wänden untergebracht waren. Zusammen beherbergen sie wahrscheinlich die Mitglieder einer wohlhabenden römischen Familie. Zwei der Urnen sind sogar mit den in Gips eingeritzten Namen der Verstorbenen versehen: Hispana und Senicio.

Eine Urne mit Parfüm und Schmuck

In einer weiteren Urne hatten die Archäologen bereits im letzten Jahr ähnlich interessante Grabbeigaben wie den Wein entdeckt: Neben den Überresten einer Frau fanden sich darin drei bernsteinfarbene Schmuckstücke, eine Flasche Parfüm mit Patschuli-Duft und Stoffreste, die nach ersten Analysen aus Seide zu bestehen scheinen.

Dass die in der Urne ruhende Frau keinen einzigen Tropfen Wein fürs Jenseits mitbekommen hat, liegt wahrscheinlich daran, dass Wein damals noch als Getränk der Männer galt und sein Genuss für Frauen lange Zeit tabu war, wie Cosano und seine Kollegen erklären. (Journal of Archaeological Science Reports, 2024; doi: 10.1016/j.jasrep.2024.104636)

Quelle: University of Córdoba

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