Archäologie

Ältestes Alphabet der Welt entdeckt?

Tonscherbe aus Syrien trägt 4.400 Jahre alte potenziell alphabetische Schriftzeichen

Schriftzeichen
Diese Schriftzeichen aus der Bronzezeitstadt Umm-el-Mara in Syrien sind rund 4.400 Jahre alt und könnten die Anfänge alphabetischer Schrift repräsentieren. © Glenn Schwartz/ Johns Hopkins University

Spannender Fund: Archäologen haben in Syrien die möglicherweise ältesten Zeugnisse alphabetischer Schrift entdeckt – abstrakte, in vier kleine Tonplättchen eingeritzte Schriftzeichen. Sie sind rund 4.400 Jahre alt und könnten eine Frühform des Alphabets darstellen. Dann wären sie rund 500 Jahre älter als die bisher ältesten Funde alphabetischer Schrift, wie das Team berichtet. Was diese frühbronzezeitlichen Schriftzeichen aus Umm-el-Marra jedoch bedeuten, ist noch ungeklärt.

Die Wiege unseres Alphabets liegt im Nahen Osten. Anders als die ägyptischen Hieroglyphen oder die Silbensymbole der mesopotamischen Keilschrift entwickelten die Menschen in der Levante eine Schrift mit abstrakten Buchstaben, ähnlich wie wir sie noch heute nutzen. Auf die ersten Buchstaben „Aleph“ und „Bet“ dieser Schrift geht noch heute der Name „Alphabet“ zurück. Die Erfindung dieser damals neuartigen Kodierung für Sprache leitete eine neue Ära der Schriftentwicklung ein.

„Die alphabetischen Schrift veränderte, wie die Menschen dachten, lebten und kommunizierten“, erklärt Glenn Schwartz von der Johns Hopkins University in Baltimore. Doch wann und wo genau entstand das erste Alphabet? Von seinem Ursprung zeugen 3.450 Jahre alte Keramikscherben mit früh-alphabetischen Schriftzeichen und ein rund 3.700 Jahre alter Elfenbeinkamm mit einem ganzen Satz, die beide in Tel Lachisch im Süden Israels gefunden wurden. Der Kamm galt bisher als das älteste Zeugnis alphabetischer Schrift.

Grab in Umm-el-Marra
Grab 4 (rechts) im Eliten-Friedhof von Umm-el-Marra. In ihm wurden die Tontäfelchen mit den Schriftzeichen gefunden. © Umm-el-Marra Project/ Johns Hopkins University

Fund im Eliten-Friedhof von Um-el-Marra

Doch nun haben Archäologen um Glenn Schwartz in Syrien noch ältere Zeugnisse alphabetischer Schrift gefunden. Es handelt sich um vier Tonzylinder mit eingeritzten Schriftzeichen aus der Bronzezeitstadt Tell Umm-el-Marra. Diese an einer wichtigen Handelsroute zwischen dem Mittelmeer und der nahen Stadt Aleppo und Mesopotamien gelegene Stadt war ab der frühen Bronzezeit ein wichtiges kulturelles und wirtschaftliches Zentrum dieser Region.

Bei Ausgrabungen im Zentrum von Umm-el Marra entdeckte das Team um Schwartz mehrere Gräber aus der Zeit um 2400 vor Christus mit reichen Grabbeigaben – darunter kunstvoll gefertigte Ornamente aus Gold, Silber und Lapislazuli, Keramikgefäße und eine Speerspitze. „Dies spricht dafür, dass dieser Grabkomplex hochrangigen Angehörigen der Gesellschaft vorbehalten war, vielleicht diente er sogar als königlicher Friedhof“, erklären die Archäologen.

Schriftzeichen
Sind diese Zeichen schon Teil eines echten Alphabets? Bisher ist ihre Bedeutung unbekannt. © Glenn Schwartz/ Johns Hopkins University

Mysteriöse Schriftzeichen auf vier Tontäfelchen

In einem der Gräber, Grab 4, stießen Schwartz und sein Team vier jeweils rund vier Zentimeter lange Plättchen aus gebranntem Ton. Auf ihnen sind Schriftzeichen eingeritzt, die die Archäologen als mögliche Frühformen der alphabetischen Schrift interpretieren. „Diese Entdeckung zeigt, dass die Menschen dort schon weit früher mit neuen Formen der Kommunikation experimentierten, als wir es uns bisher vorstellen konnten“, sagt Schwartz. Sollte es sich bei den Zeichen tatsächlich um eine alphabetische Schrift handeln, wäre sie mehr als 500 Jahre älter als alle bisherigen Funde.

Was diese Zeichen bedeuten, wissen jedoch auch die Archäologen noch nicht. „Die Tonzylinder hatten ein Loch, daher vermute ich, dass man sie mit einer Schnur an andere Gegenstände binden konnte – als eine Art Etikett“, erklärt Schwartz. „Vielleicht beschreiben die Schriftzeichen den Inhalt eins Gefäßes, woher es stammte oder wem es gehörte. Ohne eine Entzifferung und Übersetzung der Schrift können wir darüber nur spekulieren.“ (American Society of Overseas Research’s Annual Meeting, 2024)

Quelle: Johns Hopkins University

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