Archäologie

Ältestes Zeugnis von Frühmenschen in Europa

1,4 Millionen Jahre alte Steinwerkzeuge datieren Ankunft der Homininen

Frühmenschen-Steinwerkzeug
Frühmenschen-Steinwerkzeug aus der archäologischen Fundstätte Korolevo in der Ukraine. Die ältesten Funde an diesem Ort sind schon 1,4 Millionen Jahre alt. © Roman Garba

Faustkeile liefern Gewissheit: In einer Ausgrabungsstätte in der Ukraine haben Archäologen die ältesten Zeugnisse von Frühmenschen in Europa entdeckt. Die 1,4 Millionen Jahre alten Steinwerkzeuge stammen von den Vorfahren der Neandertaler und sind die frühesten sicher datierten Homininen-Artefakte in Europa. Sie bilden ein Bindeglied zwischen älteren Funden aus dem Kaukasus und jüngeren Funden in Südwesteuropa – und erlauben es damit, die Einwanderung dieser ersten Frühmenschen nach Europa nachzuzeichnen, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Die Wiege der Menschheit stand in Afrika. Dort entwickelten sich erst Vormenschen, dann die ersten Vertreter unserer Gattung Homo. Doch erst der Frühmensch Homo erectus verließ Afrika und besiedelte dank Feuer und Faustkeil erfolgreich weite Teile Eurasiens. Dort entwickelte er sich zu verschiedenen archaischen Menschenarten weiter, darunter den von Sibirien bis nach Südostasien verbreiteten Denisova-Menschen und weiteren Frühmenschenformen.

Auch bis nach Europa kamen einige dieser Frühmenschen und wurden zu den Vorfahren der Neandertaler. So belegen Fossilfunde aus dem georgischen Dmanisi, dass erste Vertreter der Gattung Homo schon vor 1,8 Millionen Jahren den Kaukasus erreicht hatten. Die nächstältesten eindeutig datierten Relikte stammen aus Frankreich und Spanien und sind rund 1,2 Millionen Jahre alt. Doch wann genau und auf welchem Weg diese Frühmenschen kamen, ist unklar, weil es aus dieser Epoche des frühen Paläolithikums nur wenige Funde gibt.

Korolevo in den 1980er Jahren
Schon den 1980er Jahren wurden in Korolevo die ersten Fundstücke aus der Altsteinzeit entdeckt. Ihr genaues Alter blieb jedoch unklar. © Institut für Archäologie der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften

Neue Datierung für Steinwerkzeuge aus der Westukraine

Eine der wichtigsten paläolithischen Fundstätten Europas ist Korolevo in der Westukraine, wo seit den 1970er Jahren tausende Steinwerkzeuge gefunden wurden. Darunter sind verschiedenste spitze oder stumpfe Formen wie Keile, Scheiben, Polyeder und Mischformen. Sie zeugen von einer über hunderttausende von Jahren reichende Präsenz von Frühmenschen in dieser Gegend. Doch aus welcher Zeit die ältesten dieser Funde stammen, war bisher nicht eindeutig bestimmt.

Nun haben Forschende um Roman Garba von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften einige der in Korolevo gefunden Artefakte mit einer neuen Methode erstmals exakt datiert. Die Technik basiert auf dem natürlichen Zerfall von radioaktiven Isotopen, die einst durch energiereiche Strahlung aus dem Weltall erzeugt wurden. Die Forschenden analysierten die Isotopenverhältnisse von Beryllium-10 und Aluminium-26 in Bodenproben der Schwemmland- und Löss-Sedimente, aus denen die Fundschichten bestehen. „Diese Isotopen verraten das Alter der Sedimentschichten“, erklären Garba und sein Team. Anhand dessen konnten sie auf das Alter der in diesen Schichten eingebetteten Funde schließen.

In Europa schon vor 1,4 Millionen Jahren präsent

Das Ergebnis: „Auf Basis der mit zwei Methoden durchgeführten Datierungen erhalten wir ein Alter von 1,42 Millionen Jahren für die Sedimentschicht, die die ältesten Stein-Artefakte enthält“, berichten Garda und seine Kollegen. „Damit repräsentiert Korolevo die älteste eindeutig datierte Homininen-Präsenz in Europa.“ Die Frühmenschen-Werkzeuge aus Kovolevo sind damit circa 200.000 Jahre älter als ähnliche Funde aus Frankreich und Spanien. Zugleich sind die Artefakte von Korolevo aber etwa 400.000 Jahre jünger als die 1,8 Millionen Jahre alten Frühmenschenfossilien aus Dmanisi in Georgien.

Doch die Funde haben noch eine Besonderheit: „Mit seiner Lage auf 48,2 Grad nördlicher Breite dokumentiert Korolevo die nördlichste bekannte Präsenz des (wahrscheinlich) Homo erectus“, berichten die Archäologen. „Die Präsenz dieser Frühmenschen in diesen Breiten und in einer so kontinental geprägten Umgebung erfordert einiges an Umdenken.“ Denn der Homo erectus gilt zwar als anpassungsfähiger Generalist, wie gut er jedoch harschen Klimabedingungen standhalten konnte, war unklar.

Blick über die archäologische Stätte Korolevo in der Westukraine
Korolevo ist der bisher nördlichste Fundort von Werkzeugen aus der Zeit des Homo erectus. © Roman Garba

Fundstücke verraten Route der Frühmenschen

Die Fundstätte Korolevo verrät zudem einiges über die mögliche Route, auf der die ersten Frühmenschen Europa erreichten. Denn sie liegt sowohl geografisch als auch vom Alter her zwischen den anderen Homininen-Fundstätten in Eurasien. „Korolevo überbrückt die räumliche und zeitliche Kluft in Bezug auf die Ausbreitung der Menschen zwischen dem Kaukasus und Südwesteuropa“, erklären die Forschenden. „Unsere Ergebnisse liefern den ersten primären Beweis für die Hypothese, dass Europa von Osten her kolonisiert wurde.“

Diese Hypothese haben Forschende zwar schon vor einiger Zeit aufgestellt, durch die exakte Datierung der Steinwerkzeuge in Korolevo konnte die These nun jedoch erstmals sicher belegt werden. Die Funde widerlegen zudem die Annahme, dass Menschen die höheren europäischen Breiten erst nach der Besiedlung Südeuropas vor rund 1,2 Millionen Jahren erreichten, wie Graba und seine Kollegen erklären.

Ankunft zwischen zwei Eiszeiten

Anhand von Pollen und anderen Isotopen in den Sedimenten untersuchten Garba und seine Kollegen auch, wie sich die Landschaft um Korolevo in den vergangenen zwei Millionen Jahren verändert hat. Demnach gab es vor rund 1,4 Millionen Jahren drei warme Perioden zwischen den Eiszeiten, während derer die frühen Menschen in diese hochgelegene und küstenferne Region gelangt sein könnten, berichten die Archäologen.

Unbekannt ist weiterhin, ob die frühen Europäer damals aus der Levante über die Route über den Kaukasus und nördlich des Schwarzen Meeres nach Korolevo kamen oder über eine Passage südlich des Schwarzen Meeres. Ebenfalls noch unklar ist, wie lange sich die Frühmenschen in Korolevo aufhielten. Ein Kälteeinbruch vor 1,1 Millionen Jahren könnte die Frühmenschen allerdings vorübergehend aus Europa vertrieben, wie andere Studien belegen. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07151-3)

Quelle: Nature

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