Zu zweit unterwegs: Unweit des berühmten Schiffswracks von Antikythera haben Archäologen die Überreste eines zweiten antiken Wracks entdeckt. Dieses zweite Schiff liegt rund 200 Meter vom ersten Wrack entfernt und hatte ebenfalls reichlich Keramik und Luxusgüter geladen, wie neue Funde belegen. Möglicherweise waren beide Frachter zusammen unterwegs und sanken dann vor mehr als 2.000 Jahren auch gemeinsam. Warum die Schiffe untergingen, ist jedoch nach wie vor ungeklärt.
Sie gilt als die „Titanic“ der Antike: Vor gut 2.000 Jahren sank vor der griechischen Insel Antikythera ein gut 50 Meter langes Schiff – einer der größten Frachter der Antike. Es war vollbeladen mit Luxusgütern der damaligen Zeit, darunter Keramiken, Marmorstatuen, und sogar einem bronzenen Thronsessel. Auch ein menschliches Skelett wurde in dem Wrack gefunden. Am berühmtesten ist das Antikythera-Wrack jedoch für den in ihm entdeckten Mechanismus von Antikythera, einen einzigartigen „Himmelscomputer“ der Antike.
Doch die Erkundung des berühmten Wracks von Antikythera ist noch lange nicht abgeschlossen – und jetzt gibt es neue, spannende Funde. Entdeckt hat sie ein Team von griechischen und schweizerischen Unterwasserarchäologen um Lorenz Baumer von der Universität Genf, das im Mai und Juni 2024 Tauchgänge zum Schiffswrack unternahm. Dank außergewöhnlich guter Wetterbedingungen konnten die Archäologen mithilfe von Unterwasserdrohnen und speziellen Tauchgeräten weitere Bereiche der Fundstelle kartieren und untersuchen.
Rumpfteil liefert Hinweis auf „Shell First“-Bauweise
Mit Erfolg: Die neuen Ausgrabungen förderten eine Fülle von archäologischem Material zutage. Unter den rund 300 neuen Fundstücken sind 21 Fragmente von Marmorobjekten und sowie Bruchstücke aus anderen Materialien, dazu Amphoren, über 200 Keramikscherben sowie mehrere Komponenten des Schiffs. Die entdeckten Marmorfragmente stammen nach Angaben der Archäologen von mehreren Statuen, die Amphoren stammen aus dem östlichen Mittelmeer, unter anderem von den Inseln Chios und Rhodos.
Am bedeutsamsten ist jedoch laut den Archäologen ein Rumpfbauteil des antiken Frachters, das aus mehreren miteinander verbundenen Planken und Spanten besteht. „Diese Struktur ermöglicht es uns, die bisher schwer fassbaren Konstruktionsmerkmale des Schiffes besser zu verstehen sowie die genaue Lage und die Ausrichtung des Wracks zu bestimmen“, erklärt Baumer.
Demnach wurde das antike Schiff mit der in der Antike üblichen Konstruktionsmethode des „Shell First“ erbaut. Dabei werden zuerst die Planken zur Rumpfform zusammengesetzt, erst danach montierte man die Spanten im Inneren des Rumpfes. Heute erfolgt dies genau umgekehrt, wie Baumer und sein Team erklären.
Zweites Wrack liegt nur 200 Meter weit weg
Noch spannender ist jedoch, was die Unterwasserarchäologen an einer zweiten, nur rund 200 Meter entfernten Stelle des Meeresgrunds entdeckten. Dort waren schon früher ebenfalls zahlreiche Keramikgefäße und -scherben gefunden worden. Unklar blieb jedoch bisher, ob es sich dabei nur um Teile der Ladung des ersten Schiffswracks handelt oder vielleicht doch um Objekte aus einem zweiten Schiff.
Jetzt belegen die neuen Ausgrabungen, dass es sich bei dieser zweiten Fundstelle tatsächlich um das Wrack eines zweiten Schiffs handelt. Dieser zweite Frachter müsste etwa zur gleichen Zeit wie der erste und mit ähnlicher Ladung diese Küstenroute befahren haben, wie Baumer und sein Team berichten. Möglicherweise waren beide Schiffe auch im Verbund unterwegs, um ihre wertvolle Fracht nach Rom zu bringen.
Warum gingen die antiken Frachter unter?
Warum die beiden antiken Frachter zwischen 60 bis 70 vor Christus vor Antikythera sanken, ist allerdings noch unbekannt. Theoretisch wäre sowohl ein Sturm als Ursache denkbar als auch ein Angriff von Piraten, die damals in der Meeresregion rund um die Insel Antikythera ihr Unwesen trieben. Analysen einiger Holzplanken des Wracks von Antikythera legen zudem nahe, dass der Frachter zum Zeitpunkt seines Untergangs für damalige Verhältnisse schon ziemlich alt und möglicherweise morsch war. Selbst eine Kollision der beiden Schiffe miteinander wäre denkbar.
Die Archäologen hoffen, dass die jetzt von ihnen am Meeresgrund und von den Schiffsresten entnommenen Proben mehr Aufschluss über das Schicksal der beiden antiken Frachter erbringen können. Die Proben werden zurzeit noch in einem geoarchäologischen Labor analysiert.
Quelle: Schweizerische Schule für Archäologie in Griechenland