Frühe Einwanderung: In Brasilien haben Forschende erneut Belege für eine erstaunlich frühe Präsenz des Menschen in Südamerika entdeckt. Indiz dafür sind drei Hautknochen eines Urzeit-Faultiers, die vor 25.000 bis 27.000 Jahren poliert, durchbohrt und offenbar als Anhänger getragen wurden. In der gleichen Fundschicht findet sich zudem eine außergewöhnlich hohe Dichte von Faultier-Knochen, die auf eine gezielte Jagd und Schlachtung hindeuten, wie Forschende berichten. Demnach gab es schon vor dem Höhepunkt der letzten Eiszeit Menschen in Südamerika.
Wann die ersten Menschen den amerikanischen Kontinent besiedelten, ist noch immer strittig. Gängiger Theorie nach gaben die Eiszeitgletscher erst vor rund 15.000 Jahren Passagen von der Bering-Landbrücke nach Süden und in das Kontinentinnere frei. Doch in den letzten Jahren wecken weit ältere Spuren menschlicher Präsenz Zweifel daran – darunter 23.000 Jahre alte Fußabdrücke in New Mexico, 30.000 Jahre alte Steinwerkzeuge aus Mexiko sowie ein 36.000 Jahre alter möglicher Mammutschlachtplatz im Süden der USA.
Faultierknochen aus der Eiszeit
Jetzt gibt es weitere Indizien für eine frühe menschliche Präsenz – diesmal aus Brasilien. Im Bundesstaat Mato Grosso haben Archäologen schon vor einigen Jahren den prähistorischen Felsunterstand Santa Elina entdeckt. Dort finden sich nacheiszeitliche Felsbilder, Steinwerkzeuge und Lagerfeuerreste, aber auch Werkzeuge und Tierknochen aus der Zeit vor 25.000 bis 27.000 Jahren. Auffällig sind vor allem zahlreiche Knochen des ausgestorbenen Riesenfaultiers Glossotherium und tausende der für diese Faultiergruppe typischen Hautknochen (Osteodermen).
„Drei dieser Osteodermen aus dieser ältesten Fundschicht standen schon früher im Verdacht, von Menschen bearbeitet worden zu sein. Bisher wurden sie aber nie genauer untersucht“, erklären Thais Pansani von der Föderalen Universität Sao Carlos und ihre Kollegen. Deshalb haben sie diese drei Fundstücke nun einer genaueren Analyse mithilfe verschiedener Mikroskopie- und Bildgebungstechniken unterzogen.
Deutliche Spuren der Bearbeitung
Die Analysen ergaben: Die flachen, wenige Zentimeter kleinen Knochenstücke zeigen Spuren des Polierens und Glättens, außerdem winzige Schnitte, Kratzer sowie Schab- und Schlagspuren, wie das Team berichtet. Zwei der Osteodermen wurden an einer Stelle durchbohrt und zeigen an diesen Stellen konkave Vertiefungen. „Diese Deformationen deuten auf eine Abnutzung hin, wahrscheinlich durch eine durch das Loch gefädelte Schnur, an der das Artefakt aufgehängt war“, erklären Pansani und ihre Kollegen. Das dritte Knochenplättchen zeigt am Rand die Reste zweier gebrochener Löcher.
Zwar können auch unbearbeitete Faultier-Hautknochen kleine Löcher aufweisen. „Der morphologische Unterschied zwischen solchen natürlichen Foramina und absichtsvoll gebohrten Löchern ist aber makroskopisch und mikroskopisch deutlich erkennbar“, betonen die Forschenden. „Unter den tausenden fossilen Osteodermen dieser Fundstätte ist der polierte und perforierte Zustand dieser drei Knochenplatten einzigartig.“
Zeugnisse menschlicher Präsenz
Um sicher zu gehen, überprüften die Archäologen, ob diese Osteodermen vielleicht auch durch Raubtiere oder durch eine Magenpassage ihre glatte, durchbohrte Form erhalten haben könnten. Doch weder Oberflächenbeschaffenheit noch Form stimmten mit solchen Einflüssen überein. „Wir widerlegen damit die Möglichkeit einer natürlichen oder nichtmenschlichen Modifikation dieser Osteodermen“, konstatieren Pansani und ihre Kollegen.
Nach Ansicht des Forschungsteams spricht damit alles dafür, dass diese drei Faultier-Hautknochen einst von Menschen bearbeitet und wahrscheinlich als Anhänger getragen wurden. „Die Präsenz mehrerer Spuren menschlicher Bearbeitung deutet auf ihre anthropogene Natur und ausgiebige Nutzung hin“, so die Wissenschaftler. Schon vor 25.000 bis 27.000 Jahren muss es demnach in dieser Gegend Zentralbrasiliens – fernab von den Küsten – Menschen gegeben haben.
Besiedlung Amerikas lange vor dem Ende der Eiszeit
„Damit widerspricht Santa Elina den Mainstream-Szenarien für die Besiedlung Amerikas“, schreiben Pansani und ihre Kollegen. Denn diese Fundstücke seien ein Beleg dafür, dass Südamerika schon während oder sogar vor dem Höhepunkt der letzten Eiszeit besiedelt worden sein muss. „Gleichzeitig sind dies die einzigen Funde sehr persönlicher Gegenstände aus dieser Zeit in ganz Nord- und Südamerika“, so das Team.
Die Funde von Santa Elina ergänzen damit die immer zahlreicheren Indizien dafür, dass der amerikanische Kontinent vielleicht doch schon tausende Jahre früher vom Menschen besiedelt wurde als lange angenommen. „Die Tatsache, dass bisher verhältnismäßig wenige solcher frühen Besiedlungsspuren gefunden wurden, könnte damit erklärt werden, dass diese Jäger und Sammler wahrscheinlich vom harschen Klima beeinträchtigt wurden“, erklären Pansani und ihre Kollegen.
Die Bevölkerungsdichte war bei diesen ersten Bewohnern Amerikas daher vermutlich noch sehr gering und stieg erst mit dem Ende der Eiszeit deutlich an. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2023; doi: 10.1098/rspb.2023.0316)
Quelle: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences