Archäologie

Bronzezeit-Pfeilspitze aus Meteoriten-Eisen

Metall für 2.900 Jahre alte Pfeilspitze stammt von überraschend weit entferntem Einschlag

Bronzezeit-Pfeilspitze
Diese 2.900 Jahre alte Pfeilspitze wurde einst aus dem Fragment eines Eisenmeteoriten gefertigt. © Sammlung Bernisches Historisches Museum/ Thomas Schüpbach

Überraschende Entdeckung: Eine im schweizerischen Mörigen entdeckte Pfeilspitze aus der Bronzezeit hat einen „himmlischen“ Ursprung. Denn das 2.900 Jahre alte Artefakt wurde einst aus Meteoriten-Eisen gefertigt, wie Analysen enthüllen. Das Überraschende jedoch: Das Metall stammt nicht aus einem nahegelegenen Meteoriten-Streufeld, sondern vom Einschlag eines mehrere hundert Tonnen schweren Eisenmeteoriten in Estland. Wie die Pfeilspitze oder ihr Material in die Schweiz gelangten, ist offen.

Wie man aus Eisenerz Eisen gewinnt, lernten die Menschen in Europa erst vor rund 2.800 Jahren. Mit dem Beginn der Eisenzeit begann eine neue Ära der Menschheitsgeschichte. Davor war Eisen eine Rarität, die wenigen Eisenobjekte wurden aus Meteoritenmaterial hergestellt und waren eine Kostbarkeit. Bisher haben Archäologen in ganz Eurasien und Afrika erst 55 solcher Objekte aus Meteoriteneisen entdeckt, allein 19 davon, darunter ein Eisendolch, stammen aus dem Grab des Pharaos Tutanchamun.

Fundstelle und Meteoriten-Streufeld
Die Fundstelle der Pfeilspitze in der Bronzezeitsiedlung Mörigen (roter Punkt) und das Streufeld des Twannberg-Meteoriten (gelbe Konturen). © Naturhistorisches Museum Bern

Eine Eisen-Pfeilspitze aus der Bronzezeit

Umso spannender ist ein Fund aus dem schweizerischen Mörigen am Bielersee. Dort liegt eine bronzezeitliche Pfahlbausiedlung nur wenige Kilometer vom Streufeld des sogenannten Twannberg-Meteoriten entfernt. Dieser zur seltenen Gruppe der nickelarmen Eisenmeteoriten gehörende Brocken schlug vor rund 160.000 Jahren ein und hinterließ ein rund fünf Kilometer langes Feld von Fragmenten. Wegen der großen Nähe der Bronzezeitsiedlung haben Beda Hofmann vom Naturhistorischen Museum Bern und sein Team untersucht, ob unter den vielen bei Ausgrabungen in Mörigen geborgenen Funden auch Artefakte aus Meteoriteneisen sind.

Tatsächlich wurden die Wissenschaftler fündig: Unter den Bronzezeit-Fundstücken war eine stark verrostete, etwa vier Zentimeter lange Pfeilspitze, die schon im 19. Jahrhundert in Mörigen ausgegraben worden war. Um herauszufinden, ob diese Pfeilspitze aus einem Fragment des Twannberg-Meteoriten bestand, unterzogen die Forschenden sie umfangreichen Analysen mittels Lichtmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie, Röntgentomographie, Röntgenfluoreszenz, Myonen-induzierter Röntgenspektrometrie (MIXE) sowie hochempfindlicher Gammaspektrometrie.

Es ist Meteoriten-Eisen – aber nicht aus Twannberg

Das Ergebnis: Das Material der Pfeilspitze ist „himmlischen“ Ursprungs, wie unter anderem der Nachweis des kosmogenen Isotops Aluminium-26 belegt – einer Variante des Aluminiums, die nur unter dem Einfluss harter kosmischer Strahlung entsteht. „Damit konnten wir den zweifelsfreien Beweis erbringen, dass es sich bei dem Material um einen Meteoriten handelt, der über lange Zeit der kosmischen Strahlung im Weltall ausgesetzt war“, erklärt Koautor Marc Schumann von der Universität Freiburg.

Das Überraschende jedoch: Obwohl das Streufeld des Twannberg-Meteoriten direkt nebenan liegt, kann das Material der Mörigen-Pfeilspitze nicht von diesem Meteoriten stammen, wie die Analysen ergaben. „Die Röntgenspektroskopie-Analysen der Pfeilspitze und einer Twannberg-Probe demonstrieren, dass der Nickelgehalt des Metalls unterhalb der Oxidationsschicht bei beiden Proben sehr unterschiedlich ist“, berichtet das Forschungsteam. Das Metall der Pfeilspitze enthält 8,2 Prozent Nickel, der Twannberg-Meteorit nur 4,5 Prozent.

Woher kam das „himmlische“ Eisen?

Die 2.900 Jahre alte Pfeilspitze von Mörigen wurde demnach zwar aus Meteoriteneisen gefertigt, dieses war aber nicht lokalen Ursprungs. Doch woher kam es dann? Aus den chemischen und mineralogischen Analysen ging hervor, dass das Eisen von einem großen, mindestens zwei Tonnen schweren Eisenmeteoriten des Typs IAB stammen musste. Dieser häufige Typ von Nickel-Eisenmeteoriten zeigt ausgeprägte Widmannstätten-Strukturen und Einschlüsse von Silikaten, Eisensulfid und Graphit.

„Unter den großen IAB-Eisenmeteoriten in Europa haben nur drei eine chemische Zusammensetzung, die zur Möringer Pfeilspitze passt: Bohumilitz in Tschechien, Retuerte de Bullaque in Spanien und Kaalijarv in Estland“, erklären Hofmann und seine Kollegen. „Unter diesen drei Einschlägen ist Kaalijarv der wahrscheinlichste Kandidat, weil sich der Einschlag in der Bronzezeit ereignete.“ Der mehrere hundert Tonnen schwere Eisenmeteorit schlug zwischen 1870 und 1440 vor Christus ein und hinterließ mehrere hundert Meter große Krater und ein riesiges Streufeld kleiner Eisen-„Schrapnelle“.

„Dieser Einschlag ereignete sich in bewohntem Gebiet und war daher in der Bronzezeit leicht zu beobachten und zu bemerken“, erklären die Forschenden. Sie vermuten daher, dass die Pfeilspitze von Mörigen aus einem Fragment des Kaalijarv-Meteoriten hergestellt wurde.

Über mehr als 1.600 Kilometer transportiert

Das allerdings wirft die Frage auf, wie die Pfeilspitze oder das für sie verwendete Meteoritenmetall während der Bronzezeit von Estland bis in die Schweiz gelangte – immerhin liegen mehr als 1.600 Kilometer zwischen dem Einschlagsort des Kaalijarv-Meteoriten und der Bronzezeitsiedlung Mörigen. „Eine Möglichkeit wäre, dass Fragmente dieses Meteoriten über dieselben Routen gehandelt und transportiert wurden wie der baltische Bernstein“, mutmaßen Hofmann und seine Kollegen.

Sollte dies der Fall gewesen sein, dann könnten sich möglicherwiese noch weitere Bruchstücke dieses Eisenmeteoriten unter den bronzezeitlichen Fundstücken Mitteleuropas verbergen. Weitere Analysen in archäologischen Sammlungen Europas könnten daher Hinweise darauf liefern, ob sich die Spur der Pfeilspitze aus Mörigen nach Estland bestätigen lässt. (Journal of Archaeological Science, 2023; doi: 10.1016/j.jas.2023.105827)

Quelle: Naturhistorisches Museum Bern, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

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