Spektakulärer Fund: Eines der berühmtesten Schiffswracks der englischen Geschichte wurde nun vor der Küste Ostenglands entdeckt – nach 340 Jahren am Grund des Meeres. Als die Fregatte „Gloucester“ im Mai 1682 auf eine Sandbank lief und sank, entkam der spätere König James II. nur knapp dem Tode. Doch wo genau diese Katastrophe geschah, blieb unklar – bis jetzt. Die Entdeckung des versunkenen Schiffes gilt als einer der bedeutendsten Wrackfunde der britische Geschichte.
Es war eine Katastrophe, die beinahe die Geschichte Englands geändert hätte. Anfang Mai 1682 ging James Stuart, der spätere König James II., mitsamt Teilen seines Hofstaats im englischen Hafen Portsmouth an Bord der Fregatte Gloucester. Ziel war es, nach Edinburgh zu segeln, um seine hochschwangere Frau nach London zu holen. Doch vor der Küste der ostenglischen Grafschaft Norfolk lief das Schiff auf eine Sandbank auf, nachdem James, der früher Erster Admiral der englische Flotte gewesen war, zuvor mit dem Kapitän über den Kurs gestritten hatte.
Innerhalb von nur einer Stunde versank die Gloucester im Meer, gut 120 Seeleute und Passagiere starben. James Stuart blieb bis zuletzt an Bord und entkam dem Tod nur knapp. Wäre er gestorben, hätte dies die ohnehin umstrittene Thronfolge dieses katholischen Königs in einer Zeit starker religiöser und politischer Konflikte verhindert – mit potenziell weitreichenden Folgen. Doch wo genau die königliche Fregatte gesunken war, blieb 340 Jahre lang unbekannt.
Die Entdeckung des Wracks
Bis jetzt: Wie nun bekannt wird, haben drei englische Taucher und Hobbyhistoriker das berühmte Wrack schon im Jahr 2007 entdeckt. 2012 wurde die Identität des Wracks anhand der am Meeresgrund gefundenen Schiffsglocke geklärt. Der spektakuläre Fund wurde jedoch bis heute geheim gehalten, um das einzigartige, in internationalen Gewässern liegende Schiffswrack und die in ihm liegenden historischen Relikte zu schützen.
„Es war schon unsere vierte Tauchsaison, in der wir nach der Gloucester gesucht haben“, sagt Lincoln Barnwell, einer der Entdecker. „Wir haben schon geglaubt, dass wir sie nie mehr finden.“ Doch dann war es soweit: „Beim Absinken zum Meeresgrund sah ich plötzlich eine große Kanone auf dem weißen Sand liegen – das war beeindruckend und wirklich wunderschön.“ Sein Bruder Julian ergänzt: „Wir waren schnell zuversichtlich, dass es sich um die Gloucester handelte, aber es gibt da draußen noch andere Wracks mit Kanonen, daher musste das erst bestätigt werden.“
Alltagsobjekte, Kleidung, Weinflaschen
Inzwischen ist klar: Das Wrack ist die königliche Fregatte. Das berühmte Schiffswrack liegt längs in zwei Hälften gebrochen und halb von Sand bedeckt am Meeresgrund. In den letzten Jahren haben Unterwasserarchäologen neben der Schiffsglocke und Kanonen auch unzählige Teile der Schiffsausrüstung, Alltagsobjekte, persönliche Gegenstände und sogar Schuhe und Kleidung aus dem Wrack geborgen.
Unter den Funden sind auch 340 Jahre alte Weinflaschen, einige davon noch verkorkt und verschlossen – ihr Inhalt könnte verraten, was damals an Bord der königlichen Fregatte getrunken wurde. Eine der Flaschen trägt in das Glas eingeprägt das Wappen der Familie Legge – Vorfahren des ersten US-Präsidenten George Washington. Die Motive des Wappens gelten als Vorbild für die spätere US-Flagge mit den Streifen und Sternen. Diese und weitere Funde liefern wertvolle Einblicke in die historisch bedeutsame Zeitperiode.
Neue Einblicke in die Umstände des Schiffsunglücks
Nach Ansicht von Historikern und Unterwasserarchäologen ist die Entdeckung der „Gloucester“ ein in jeder Hinsicht bedeutender Fund. „Wegen der Umstände ihres Sinkens, kann man dies als bedeutendste maritime Entdeckung seit der Bergung der ‚Mary Rose‘ im Jahr 1982 betrachten“, erklärt die Marinehistorikerin Claire Jowitt von der University of East Anglia. „Die Entdeckung könnte unser Verständnis der sozialen, politischen und maritimen Geschichte des 17. Jahrhunderts fundamental verändern.“
Denn bis heute ist strittig, warum das Schiff auf die Sandbank lief und welche Rolle James Stuart dabei spielte. „Es war eine Tragödie erheblichen Ausmaßes, bei dem viele Leben verloren gingen“, sagt Jowitt. Sie und Kollegen werden nun die Umstände des Schiffsunglücks in einem eigenen Forschungsprojekt noch einmal näher untersuchen. Dabei werde Fundstücke aus dem Wrack eine wichtige Rolle spielen.
„Die vollständige Geschichte der letzten Reise der ‚Gloucester‘ und der Auswirkungen ihres Sinkens muss nun neu aufgerollt werden“, so Jowitt. „Wir wollen zudem versuchen herauszufinden, wer genau dort starb, und auch die Geschichte dieser Opfer erzählen, denn bisher ist nur ein kleiner Teil der Toten von damals bekannt.“
Quelle: University of East Anglia