Archäologie

Frühes Manuskript der Artus-Sage entdeckt

Um 1300 geschriebene Version der "Vulgata Merlin" verbarg sich im Einband eines Registerbuchs

Merlin-Manuskript
Dieses um 1300 niedergeschriebene Manuskript enthält Teile der Sage um König Artus und den Zauberer Merlin. Es war jahrhundertelang in einem Einband versteckt. © Cambridge University Library / CHIL

„Sagenhafter“ Fund: Historiker haben in Cambridge mittelalterliche Manuskript-Fragmente der berühmten Sage um König Artus und den Zauberer Merlin entdeckt – verborgen im Einband eines Besitzregisters aus dem 16. Jahrhundert. Der handgeschriebene Text stammt aus der Zeit um 1300 und enthält zwei Szenen aus dem Sagenzyklus um Merlin. Eine schildert den siegreichen Kampf des Ritters Gawain gegen die Sachsen, die zweite beschreibt ein höfisches Fest, bei dem Merlin sich verwandelt.

Die Geschichten rund um König Artus, die Ritter der Tafelrunde und den Zauberer Merlin gehören zu den berühmtesten Sagen überhaupt. Die frühesten schriftlichen Quellen für diese Erzählungen reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Ein echter Bestseller wurde der Sagenzyklus jedoch erst 100 Jahre später durch die „Suite Vulgate du Merlin“ – einer altfranzösischen Zusammenfassung der Geschichten in mehreren Bänden. Sie wurden hunderte Male handschriftlich kopiert und in Europa verbreitet. Heute sind nur noch 40 Manuskripte davon erhalten.

historische Akten
In den Hüllen dieser Registerakten aus dem 16. Jahrhundert war das Merlin-Manuskript verborgen. © Cambridge University Library / Błażej

Unbeachteter Einband birgt einzigartigen Schatz

Jetzt haben Historiker in Cambridge ein weiteres Exemplar der berühmten Sage um Artus und Merlin entdeckt. Es handelt sich um mehrere Teile eines Manuskripts aus der Zeit zwischen 1275 und 1315. Der handschriftliche, in altfranzösisch verfasste Text war jahrhundertelang im Einband eines Besitzregisters aus dem 16. Jahrhundert verborgen. Die Manuskriptseiten wurden damals gefaltet, zerschnitten und in den Einband eingenäht. Bis 2019 lagerten sie unentdeckt in der Universitätsbibliothek von Cambridge.

Erst 2019 wurden die kostbaren Manuskript-Fragmente zufällig identifiziert. In einem mehrjährigen Projekt ist es Forschenden der University of Cambridge nun gelungen, die verblassten und beschädigten Seiten virtuell zu rekonstruieren und lesbar zu machen. Für die virtuelle Entfaltung nutzten sie Mikrotomografie, Multispektral-Bildgebung und digitale Modelle. Dies ermöglichte es ihnen, den vor mehr als 700 Jahren von einem Kopisten niedergeschriebenen Text wieder sichtbar zu machen.

In den Schlagzeilen

News des Tages

kosmische Reionisierung

Begann die kosmische Morgendämmerung früher?

Ostsee-Alge nach 7.000 Jahren wiederauferweckt

Physiker erzeugen ersten Zeit-Quasikristall

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

„Vor 30 Jahren hätte man das Fragment einfach herausgeschnitten, entfaltet und geglättet. Aber heute können wir es in situ erhalten und dennoch die mittelalterliche Geschichte wieder lesbar machen“, erklärt Irène Fabry-Tehranchi von der Cambridge University Library.

Manuskriptseite
Zweites Fragment des Merlin-Manuskripts. © Cambridge University Library / CHIL

Zwei Szenen aus der Artus-Sage

Die Analysen enthüllten, dass der mittelalterliche Text zwei Schlüssel-Episoden aus der „Suite Vulgate du Merlin“ enthält. Der erste Teil erzählt vom Sieg der Christen unter König Artus über die heidnischen Sachsen. Im Mittelpunkt des Textes stehen der Ritter Gawain, sein Pferd Gringalet und das Schwert Excalibur. Gawain, seine Brüder und sein Vater König Loth kämpfen gegen die sächsischen Könige Dodalis, Moydas, Oriancés und Brandalus und besiegen sie.

Das zweite Manuskript-Fragment schildert eine Szene bei einem Fest am Hof des Königs Artus: „Während der Seneschall Kay König Artus und Königin Guinevere den ersten Gang des Festmahls brachte, erschien der schönste Mann, der jemals in christlichen Landen gesehen wart. Er trug eine Seidentunika mit einem Seidengürtel, der mit Gold und Edelsteinen besetzt war und so hell glänzte, dass er den ganzen Raum erhellte.“

Der Clou dieser Szene: Bei dem unbekannten Gast handelt es sich um niemand Geringeren als den Zauberer Merlin, wie das Manuskript verrät. Dieser hatte sich in einen schönen Harfenspieler verwandelt, um das Königspaar und die Festgäste zu überraschen.

Merlin-Manuskript online zugänglich

Das neu entdeckte Manuskript der Artussage ist nicht nur wegen seines Inhalts und Alters bedeutend: Weil diese mittelalterlichen Texte per Hand kopiert wurden, ist jedes Manuskript einzigartig. Kleine Unterschiede in der Handschrift, hinzugefügte Randnotizen oder auch Schreibfehler können mehr darüber verraten, woher diese Kopie der „Vulgata Merlin“ stammt, von wem sie niedergeschrieben wurde und wie sie sich von anderen Kopien unterscheidet.

Diese und weitere Fragen hoffen Fabry-Tehranchi und ihre Kollegen durch nähere Analysen der nun virtuell rekonstruierten Manuskriptteile zu klären. „Die Geschichte von König Artus und Merlin wird seit Jahrhunderten unzählige Male erzählt und wiedererzählt. Aber dank neuer Technologie können wir immer neue Kapitel dieser Saga aufdecken“, so das Forschungsteam. Die rekonstruierten Manuskriptseiten sind über die Cambridge Digital Library frei online zugänglich.

Die für die Merlin-Texte genutzten Methoden könnten künftig dabei helfen, auch andere später zweckentfremdete Manuskripte wieder lesbar zu machen. „In Bibliotheken und Archiven weltweit gibt es fragile Fragmente, die später als Einbände genutzt wurden. Unsere Methode könnte sie nichtinvasiv zugänglich und erforschbar machen“, erklärt Maciej Pawlikowsk von der Cambridge University Library.

Quelle: University of Cambridge

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

Bücher zum Thema

Rätsel der Archäologie - Unerwartete Entdeckungen - Unerforschte Monumente von Luc Bürgin

Top-Clicks der Woche