Archäologie

Geheimnis der Pyramidenbauer gelüftet?

Altägyptische Djoser-Pyramide könnte mithilfe hydraulischer Lifte erbaut worden sein

Djoser-Pyramide
Die rund 63 Meter hohe Djoser-Pyramide in der altägyptischen Nekropole Sakkara ist die älteste Monumental-Pyramide Ägyptens. © Ivica Gulija/ iStock

Mit der Kraft des Wassers: Die altägyptischen Pyramidenbauer könnten eine überraschend fortgeschrittene Technik genutzt haben – hydraulische Aufzüge. Indizien dafür hat ein Forschungsteam an der Djoser-Pyramide in der Totenstadt Sakkara entdeckt. Demnach gab es dort ein ausgefeiltes Zuleitungssystem mit Sammelbecken, Gräben und Tunneln, über das Wasser in zwei Schächte im Pyramideninneren gelangte – und dort Flöße mit Steinen hob oder senkte.

Die um 2650 vor Christus erbaute Stufenpyramide von Djoser in Sakkara ist die älteste der sieben großen Pyramiden Ägyptens. Die von Baumeister und Hohepriester Imhotep konzipierte Grabanlage wurde zum Vorbild für die Pyramiden von Gizeh, auch wenn diese die äußere Stufenform nicht übernahmen. Dennoch gilt das knapp 63 Meter hohe, aus rund 2,3 Millionen Kalksteinblöcken errichtete Bauwerk bis heute als Meilenstein der altägyptischen Monumental-Architektur. Der gesamte Djoser-Komplex mitsamt Nebenbauten ist der größte in ganz Ägypten.

„Die mit der Djoser-Pyramide demonstrierten Errungenschaften waren so groß, dass Imhotep im Neuen Reich sogar in den göttlichen Stand erhoben wurde“, erklären Xavier Landreau vom Paläotechnischen Institut in Paris und seine Kollegen. Wie genau die monumentale Djoser-Pyramide errichtet wurde, ist jedoch – ähnlich wie bei den anderen großen Pyramiden – noch strittig: „Bisher existiert kein allgemein akzeptiertes ganzheitliches Modell für den Pyramidenbau“, so die Archäologen. Meist geht man davon aus, dass die Steine mithilfe von Rampen, Rollen oder Flaschenzügen in die Höhe gehievt wurden.

Djoser-Komplex
Die Djoser-Pyramide, das Gisr el-Mudir und das Abusir-Wadi könnten Teil eines komplexen hydraulischen Wassersystems gewesen sein. © Paleotechnic, Landreau et al./ PLOS ONE, CC-by 4.0

Welche Rolle spielte das Wasser?

Doch Imhotep könnte für seinen Monumentalbau eine überraschend fortschrittliche Technik eingesetzt haben, wie Landreau und sein Team berichten. Sie haben das Gebiet rund um den Djoser-Pyramidenkomplex und die Strukturen in und an der Pyramide genauer kartiert und analysiert. Im Fokus stand dabei die mögliche Rolle von Wasser als Konstruktionshelfer. Von den Pyramiden von Gizeh ist bereits bekannt, dass ein Seitenarm des Nils wahrscheinlich beim Antransport der Steine half.

Auch die Djoser-Pyramide liegt in der Nähe eines heute ausgetrockneten Flussbetts, dem Abusir-Wadi. „Um den Zusammenhang des Abusir-Wadis mit dem Bau der Stufenpyramide zu untersuchen, haben wir erstmals auch das Einzugsgebiet westlich von Sakkara erstmals kartiert“, berichtet das Team. Dabei zeigten sich gleich mehrere zuvor unerkannte Becken und Kanäle, durch die bei periodischen Regenfällen größere Wassermassen in das Abusir-Wadi geleitet wurden.

War Gisr el-Mudir ein Staubecken?

Am Ende des Abusir-Wadis mündete das Wassersystem in ein rechteckiges, von Wällen umgebenes Bauwerk, dessen Funktion bislang ungeklärt war: Das rund 360 mal 620 Meter große Gisr el-Mudir liegt einige hundert Meter westlich der Djoser-Pyramide und gilt als das älteste aus behauenem Stein errichtete Bauwerk Ägyptens. Seine mehrere Meter hohen Wälle bestehen aus einer Mauer-Doppelreihe, deren Zwischenraum mit Geröll gefüllt ist.

Wie nun Landreau und seine Kollegen erklären, sprechen Lage und Form von Gisr el-Mudir dafür, dass auch dieses Bauwerk Teil des Wassersystems war: „Seine westliche Mauer diente wahrscheinlich als erste Staumauer für den Wasserzustrom aus dem Abusir-Wadi“, erklären sie. Das Wasser wurde gebremst und im Becken dieser Struktur gesammelt. Dort setzten sich Flussgerölle und Sediment ab, bevor das Wasser dann in einen den Djoser-Pyramidenkomplex umgebenden Graben geleitet wurde.

Vom Graben in die Pyramide
Fluss des Wassers von den Kavernen des Deep Trench in die Schächte der Djposer-Pyramide. © Landreau et al./ PLOS ONE, CC-by 4.0

Vom Zulauf bis in die Pyramide

Die entscheidende Verbindung zwischen Wasserzulauf und Pyramide bildete ein 27 Meter tiefer Kanal („Deep Trench“), der an der Südseite des Grabens in den Fels eingekerbt war. „Dieser tiefe Kanal verbindet mindestens drei unterirdische Kavernen miteinander, deren Wände präzise aus dem Gestein geschnitten sind und von denen ein Tunnel abgeht“, berichten Landreau und sein Team. „Die perfekte geometrische Ausrichtung dieser Kavernen parallel zur Djoser-Pyramide ist bemerkenswert.“

Noch spannender aber sei die Tatsache, dass der Kavernenboden auf gleicher Höhe lag wie der Grund der beiden Hauptschächte im Inneren der Djoser-der Pyramide. Beide sind an ihrer Basis über eine 200 Meter lange Leitung miteinander verbunden. Nach Ansicht von Landreau und seinen Kollegen spricht diese Anlage dafür, dass einst Wasser aus dem Abusir-Wadi über den Graben und die Kavernen bis in den Unterbau der Pyramide geleitet wurde.

„Auch wenn Verbindung der Kaverne des Deep Trench und dem Südschacht der Pyramide noch gefunden werden muss, ist es höchst wahrscheinlich, dass Wasser über dieses System geleitet wurde“, schreiben die Forschenden.

Hydraulisches Hebewerk
So könnte das hydraulische Hebewerk für die Steine funktioniert haben. Nutzt man eine ausklappbare Floßplattform, könnten die Steine in mehr als 17 Meter Höhe gehoben worden sein. © Landreau et al./ PLOS ONE, CC-by 4.0

Ein hydraulisches Hebewerk?

Einmal in der Pyramide angekommen, könnte der Wasserzustrom als Antrieb für ein hydraulisches Hebesystem gedient haben, wie Landreau und seine Kollegen erklären. Dabei ließ sich der Wasserstand in den beiden Hauptschächten durch ein raffiniertes System aus schweren, an Seilwinden hängenden „Stöpseln“ regulieren. Wenn das Wasser im Schacht stieg, transportierte es ein auf dem Wasser schwimmendes Floß mit den für den Bau nötigen Steinen in die Höhe.

Mithilfe eines Modells errechnete das Team, das die Steine mit diesem Hydraulik-Aufzug bis in 17 Meter Höhe und noch höher angehoben werden konnten. Wurde der Wasserspiegel im Schacht abgesenkt, könnte ein steinbeladenes Floß aber auch als Gegengewicht für einen Seilaufzug gedient haben: Über eine Seil- und Flaschenzug-Konstruktion könnten die Baumeister so Lasten außen an der Pyramide oder in anderen Schächten in die Höhe gezogen haben.

„In unserer Zivilisation keine Parallele“

„Diese Studie liefert zum ersten Mal eine Erklärung für die Funktion und den Bauprozess gleich mehrerer kolossaler Strukturen dieser Anlage in Sakkara“, konstatieren Landreau und sein Team. „Der hydraulische Hebe-Mechanismus ist revolutionär für den Bau von Steinstrukturen und hat in unserer Zivilisation keine Parallele. Diese Technologie beleuchtet das exzellente Energie-Management und die effiziente Logistik dieser Kultur.“

Die Forschenden gehen davon aus, dass die Pyramidenbauer von Sakkara parallel zu dem Hydraulik-Hebesystem auch die gängigen Bautechniken wie Rampen, Seilzüge und Rollen nutzten. „Es ist unwahrscheinlich, dass die altägyptischen Architekten nur eine einzige Bautechnik verwendeten. Stattdessen wurden verschiedene Methoden eingesetzt, um sich an die verschiedenen Einschränkungen oder unwägbare Ereignisse wie eine Trockenperiode anzupassen“, erklären sie.

Allerdings räumen Landreau und seine Kollegen auch ein, dass erst noch weitere Forschungen und Ausgrabungen vor Ort nötig sind, um ihre Interpretation der Strukturen zu bestätigen. Unter anderem muss die Verbindungsleitung zwischen den Kavernen und den Pyramidenschächten noch gefunden werden. (PLoS ONE, 2024; doi: 10.1371/journal.pone.0306690)

Quelle: PLOS

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