Raffinierte Technik: Statt Blattgold verwendeten mittelalterliche Künstler oft Zwischgold – eine Silberfolie, die mit einer hauchdünne Goldschicht bedeckt war. Jetzt enthüllen 3D-Durchleuchtungen erstmals den dreidimensionalen Aufbau dieses mittelalterlichen Nanomaterials. Dies erlaubt Rückschlüsse auf seine Herstellung und kann auch erklären, warum das Zwischgold so oft dunkel anläuft und was die Restaurierung solcher Kunstwerke so schwierig macht.
Zum Vergolden von Skulpturen verwendeten Künstler im späten Mittelalter oft einen hauchdünnen Goldfilm, der von einer Silberschicht getragen wurde – das sogenannte Zwischgold. Dieses Kombimaterial sparte das kostbare Blattgold und wurde daher oft für das Vergolden von flächigeren Partien wie den Gewändern verwendet. Das Problem jedoch: Anders als pures Blattgold läuft dieses Material im Laufe der Zeit oft dunkel an und ist zudem schwer zu restaurieren.
Röntgenbeugung enthüllt Materialstruktur
Welche Struktur hinter diesem Zwischgold steckt und was es anfällig macht, haben nun Qing Wu von der Universität Zürich und seine Kollegen mithilfe der ersten dreidimensionalen Nanobilder dieses mittelalterlichen Kombi-Materials untersucht. „Obwohl Zwischgold im Mittelalter häufig verwendet wurde, wusste man bisher wenig über dieses Material“, erklärt Koautor Benjamin Watts vom Paul Scherrer Institut. „Deshalb wollten wir die Proben mit einer 3D-Technik untersuchen, die kleinste Details sichtbar machen kann.“
Dafür analysierte das Team Proben von zwei mit Zwischgold belegten Holzstatuen und einem Altarbild aus dem späten Mittelalter mithilfe der sogenannten ptychografischen Tomografie: Die Proben wurden mit dem fokussierten Röntgenstrahl eines Synchrotrons so abgetastet, dass hochaufgelöste Beugungsmuster entstehen. Ähnlich wie bei einem Computertomografen kann dann durch eine computergestützte Auswertung von Hunderten solcher Aufnahmen aus unterschiedlichen Winkeln die dreidimensionale Struktur ermittelt werden.
Erstaunliche Kunstfertigkeit
Die Aufnahmen bestätigten, wie hauchfein das Gold in diesem Kombi-Material verteilt ist: „Nach unseren Untersuchungen von Zwischgold-Proben beträgt die durchschnittliche Dicke der Goldschicht etwa 30 Nanometer, während das in denselben Regionen und Epochen hergestellte Blattgold etwa 140 Nanometer dick ist“, berichtet Wu. Dies belegt, wie hoch entwickelt die mittelalterliche Fertigungstechnik für das Zwischgold war und wie das Material hergestellt wurde.
Die Analysen legen nahe, dass zunächst beide Metallfolien getrennt voneinander dünn ausgeschlagen wurden. Erst dann wurden sie aufeinandergelegt und weiterbearbeitet. „Dazu brauchte es spezielle Schlagwerkzeuge und Beutel mit verschiedenen Einlagen aus unterschiedlichen Materialien, in welche die Folien eingefügt wurden“, erklärt Wu. „Es ist verblüffend, dass jemand, der nur mit Handwerkzeugen ausgerüstet war, ein solches Nanomaterial herstellen konnte“, ergänzt Watts.
„Die 3D-Bilder zeigen zudem deutlich, wie dünn und gleichmäßig der Goldfilm oberhalb der Silberschicht ist“, berichtet Wu. Dabei kam den mittelalterlichen Kunsthandwerkern ein spezielles Verhalten der Gold- und Silberkristalle zugute: Wenn man diese zusammenpresst, bleibt ihre Ausrichtung über den ganzen Metallfilm hin erhalten. „Ein Glücksfall der Natur, der dafür sorgt, dass diese Technik funktioniert“, so Watts.
Wanderndes Silber sorgt für Korrosion
Die 3D-Bilder des Zwischgolds erklären aber auch, warum dieses Material oft so dunkel angelaufen ist: Das Silber kann die hauchdünne Goldschicht durchdringen, indem es Lücken zwischen den einzelnen Goldkörnchen passiert. Dabei bewegt sich das Silber überraschend schnell, selbst bei Zimmertemperatur. Schon nach Tagen formt sich dadurch eine dünne, durchgängige Silberschicht über dem Gold, die dann bei Kontakt mit Wasserdampf und Schwefel in der Luft zum dunklen Silbersulfid korrodiert.
„Mit der Zeit wird die goldene Oberfläche des Zwischgolds schwarz“, erklärt Watts: „Das Einzige, was man dagegen tun kann, ist, die Oberfläche mit einem Lack zu versiegeln, damit der Schwefel das Silber dort nicht angreifen und Silbersulfide bilden kann.“ Dieses Problem war auch auch den mittelalterlichen Handwerkern bekannt: Sie verwendeten Harz, Leim oder andere organische Substanzen als schützenden Lack. „Aber nach Hunderten von Jahren hat sich diese Schutzschicht zersetzt und die Korrosion findet weiterhin statt», sagt Wu.
Hohlräume unter der Metallschicht
Und noch ein Problem deckten die Nano-Aufnahmen auf: Durch das Wandern des Silbers entstehen zunehmend Hohlräume im Material. „Wir waren überrascht, wie deutlich wir diese Lücke unter der Metallschicht sehen konnten“, sagt Watts. Vor allem bei der Probe aus dem Altarbild hatte sich das Zwischgold deutlich vom Untergrund abgelöst. „Diese Lücke kann zu mechanischer Instabilität führen, und wir erwarten, dass in einigen Fällen nur noch der Schutzlack über dem Zwischgold das Metallblatt an Ort und Stelle festhält“, erklärt Wu.
Für die Restaurierung der Kunstwerke ist dies ein Problem, denn die Silbersulfide sind in die Lackschicht eingebettet oder liegen direkt darunter. „Entfernen wir diese hässlichen Korrosionsprodukte, dann entfällt auch die Lackschicht und wir verlieren alles“, sagt Wu. Sie hofft, dass sich in Zukunft ein spezielles Material entwickeln lässt, mit dem man die Lücke füllen und das Zwischgold so auf dem Untergrund festhalten kann.
Insgesamt widerlegen die 3D-Anaylsen das Vorurteil, nach dem das Technologieniveau im Mittelalter niedrig war. Das Gegenteil sei der Fall: „Das Mittelalter ist kein finsteres Zeitalter, sondern eine Zeit, in der die Metallurgie und die Vergoldungskunst einen Höhepunkt erreichten“, sagt Wu. (Nanoscale, 2022; doi: 10.1039/d2nr03367d)
Quelle: Paul Scherrer Institut (PSI)