Spektakulärer Fund: Archäologen haben im ägyptischen Assiut das rund 3.900 Jahre alte Grab einer ägyptischen Hathor-Priesterin entdeckt – eine archäologische Sensation. Die Grabkammer der Priesterin Idy umfasst zwei Sarkophage mit außergewöhnlich kunstvollen Verzierungen, Herrschaftsinsignien, eine Fülle religiöser Texte sowie Knochen der Toten und Reste ihres Gewands. Die Funde geben neue Einblicke in die Kultur des Mittleren Reichs und auch in die Rolle von Priesterinnen zur damaligen Zeit.
Die Nekropole von Assiut, auch Asyut, liegt 375 Kilometer südlich von Kairo am Westufer des Nils. Schon vor mehr als 4.000 Jahren wurden hier regionale Fürsten in aufwendig in den Felsuntergrund gehauenen Grabstätten bestattet. Einer von ihnen war der Regionalgouverneur Djefai-Hapi I., der vor rund 3.900 Jahren in einer 70 Meter in den Fels hineinreichenden und bis 28 Meter tiefen Grabanlage seine letzte Ruhe fand. In der Antike wurde er sogar zum Gott erhoben.
Seit 2003 führt ein internationales Archäologenteam unter der Leitung von Jochem Kahl von der Freien Universität Berlin an dieser reich mit Wandmalereien verzierten Grabanlage aus dem Mittleren Reich Ausgrabungen durch.
Hinter Bruchsteinen versteckt
Jetzt haben die Archäologen dort eine spektakuläre Entdeckung gemacht: In einem rund 14 Meter tiefen senkrechten Schacht im Grab des Djefai-Hapi I. stießen sie im Jahr 2022 auf eine verborgene, mit großen Bruchsteinen verschlossene Seitenkammer. Um in diese Kammer vorzudringen, benötigte das Team drei Grabungskampagnen und zwei Jahre. Doch jetzt haben sie den Inhalt freigelegt: In der Seitenkammer befindet sich ein weiteres Grab mitsamt Sarkophagen und Grabbeigaben.
Inschriften verraten, dass es sich bei diesem Grab um die letzte Ruhestätte der Hathor-Priesterin Idy handelte. Sie war eine einzige Tochter des Regionalgouverneurs Djefai-Hapi I. und trug die Bezeichnung „Herrin des Hauses“ – ein Hinweis auf ihren hohen Stand. Obwohl das Grab schon in der Antike teilweise geplündert wurde, hatten die damaligen Grabräuber offenbar nur Schmuck und Metallobjekte mitgenommen. Viele weitere Objekte und auch die Sarkophage sind hingegen erhalten.
Kunstvolle Sarkophage, religiöse Texte und Herrschaftsinsignien
Zu den spektakulären Funden gehören zwei ineinander geschachtelte, aufwendig dekorierte Holzsärge aus exotischem Holz. Beide Särge sind mit einer Länge von mehr als zwei Metern ungewöhnlich groß und jeweils 200 bis 300 Kilogramm schwer. Ihre Flächen sind vollständig mit außergewöhnlich kunstvollen Bildern und Texten verziert. „Idys Särge und ihre Dekoration übertreffen zeitgleiche Objekte durch die Kunstfertigkeit ihrer Ausführung und knüpfen damit nahtlos an die herausragende Qualität der Texte und Bilder im Grab ihres Vaters an“, berichtet Grabungsleiter Kahl.
Besonders bemerkenswert ist laut den Archäologen auch die Fülle an religiösen Texten, Opferlisten und Titeln im Grab der altägyptischen Priesterin. „Sie werden es erlauben, neue und weitreichende Aussagen zur Stellung der Frauen und zum Wissenstransfer im alten Ägypten zu treffen“, sagt Kahl. Weitere Grabbeigaben umfassen mehrere Statuen, einen Dolch, Herrschaftsinsignien sowie Nahrungsopfer. Abbildungen im Grab zeigen zudem Objekte und Prozesse, die mehr über die Bestattungen und Totenrituale im Mittleren Reich verraten.
Tod mit 40 Jahren
Spannend sind auch im Sarkophag gefundenen Gewandreste und Knochen der Hathor-Priesterin. Letztere legen nahe, dass Idy im Alter von rund 40 Jahren gestorben sein muss und dass sie ein Fußleiden hatte. Weitere Analyse der Relikte könnten in Zukunft noch mehr über Leben und Sterben der Priesterin verraten. Dafür müssen die Funde samt der Überreste der Toten vorsichtig und mit großem Aufwand aus dem engen, tiefen Schacht geborgen werden.
Im Vorfeld haben die Archäologen die fragilen Holzobjekte bereits ersten konservatorischen Behandlungen unterzogen und sie für Bergung und Transport stabilisiert. Die Funde werden dann dem Ägyptischen Ministerium für Antiken und Tourismus übergeben und anschließend Speziallaboren weiter untersucht.
Quelle: Freie Universität Berlin