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Evolution

„Hobbit“-Vorfahre war winzig

Vorläufer des Homo floresiensis hatte den kleinsten Armknochen der Menschheitsgeschichte

ARmknochen vn Homo floresiensis und seinem Vorfahren
Schon der unten dargestellte Oberarmknochen eines "Hobbit-Menschen" (Homo floresienis) ist verglichen mit unserem winzig. Das neu entdeckte Armknochen-Fragment darüber ist jedoch noch kleiner, es stammt von einem rund 700.000 Jahren alten Vorfahren der "Hobbits" von Flores. © Yousuke Kaifu

Urzeitlicher Zwerg: Auf der indonesischen Insel Flores haben Forschende den 700.000 Jahre alten Oberarmknochen einer winzigen Menschenart entdeckt – eines Vorläufers des rätselhaften „Hobbit-Menschen“ Homo floresiensis. Der Fund belegt nun, dass schon dessen Vorfahren mit knapp einem Meter Körpergröße ungewöhnlich klein waren. Die Merkmale des Knochens liefern aber auch neue Hinweise darauf, aus welcher Frühmenschenart sich die „Zwergenmenschen“ von Flores einst entwickelt haben, wie das Team in „Nature Communications“ berichtet.

Noch bis vor rund 50.000 Jahren lebten rätselhaft kleine, archaisch anmutende „Hobbit-Menschen“ auf der indonesischen Insel Flores. Obwohl dieser Homo floresiensis zeitgleich mit dem Homo sapiens lebte, wurde er nur gut einen Meter groß und hatte ein sehr kleines Gehirn. Einige Forscher vermuteten zunächst, dass dies auf einen Gendefekt oder eine krankheitsbedingte Fehlbildung zurückging. Doch inzwischen gehen die meisten Anthropologen davon aus, dass sich der Homo floresiensis durch eine allmähliche Inselverzwergung aus einem der frühen Menschenvorfahren entwickelt hat.

Indizien dafür lieferten im Jahr 2016 Fossilfunde eines direkten „Hobbit“-Vorfahren in der Fundstätte Mata Menge auf Flores. Die 700.000 Jahre alten Zähne und Kieferknochen waren bereits ähnlich klein wie der Homo floresiensis – was die Hypothese einer Verzwergung stützte. Aus welcher Menschenform sich jedoch die „Hobbits“ und ihre Vorfahren entwickelt haben, ist noch immer strittig: Einige Merkmale deuten auf den Homo erectus als Vorläufer hin, andere scheinen auf den Homo habilis oder sogar den noch älteren Vormenschen Australopithecus hinzuweisen.

Humerus-Fragment
Dieses 700.000 Jahre alte Knochenfragment stammt vom Oberarmknochen eines „Hobbit“-Vorläufers auf Flores. © Yousuke Kaifu

Ein Armknochen im Miniaturformat

Jetzt bringen neue Fossilfunde mehr Klarheit: Yousuke Kaifu von der Universität Tokio und seine Kollegen haben in Mata Menge das untere Stück eines Oberarmknochens (Humerus) und zwei weitere Zähne entdeckt. Diese Relikte sind ebenfalls 700.000 Jahre alt und stammen damit von den frühen Vorläufern des Homo floresiensis.

Das Besondere jedoch: Das Oberarm-Fragment ist mit 8,8 Zentimeter Länge und 46 Millimeter Umfang extrem klein. Der vollständige Knochen kann nicht länger als 20,6 bis 22,6 Zentimeter gewesen sein, wie das Team ermittelte. Trotz dieser geringen Größe stammte der Oberarmknochen aber nicht von einem Kind: „Die Gewebemorphologie des kortikalen Knochens zeigt klar, dass es sich um einen Knochen im ausgewachsenen Zustand handelt“, berichten die Forschenden.

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„Dieser 700.000 Jahre alte, ausgewachsene Oberarmknochen ist damit nicht nur kürzer als der des Homo floresiensis, es ist auch der kleinste Oberarmknochen, der weltweit jemals bei einem Homininen gefunden wurde“, sagt Koautor Adam Brumm von der Griffith University in Australien. Selbst kleine Menschenformen wie der rätselhafte Frühmensch Homo naledi oder der Vormensch Australopithecus hatten längere und dickere Oberarme.

Noch kleiner als die „Hobbits“

„Diese seltenen Funde bestätigen unsere Annahme, nach der schon die Vorfahren des Homo floresiensis eine extrem geringe Körpergröße besaßen“, sagt Brumm. Nach Schätzungen des Teams war der Frühmensch, von dem der Knochen stammte, je nach Hochrechnungsmodell zwischen 93 und 96 Zentimeter oder zwischen 103 und 108 Zentimeter groß. Der Homo floresiensis war dagegen nach den gleichen Modellen 102 beziehungsweise 121 Zentimeter groß. „Damit ist nun offensichtlich, dass frühen Vorläufer der ‚Hobbits‘ sogar noch kleiner waren als wir zunächst dachten“, so Brumm.

Vergleichende Analysen ergaben zudem, dass die früheren und aktuellen Funde von Mata Menge von vier verschiedenen Individuen stammen – einem älteren Erwachsenen, einem Jugendlichen oder jungen Erwachsenen und zwei Kindern. „Die Tatsache, dass alle vier Individuen extrem klein waren, stützt das Argument, dass es sich bei der geringen Körpergröße nicht um ein idiosynkratisches, bloß individuelles Merkmal handelte, sondern um ein Populationsmerkmal dieser Flores-Homininen“, erklären Kaifu und seine Kollegen.

Homo erectus und Homo floresiensis
Den neuen Analysen zufolge könnte sich der zwergenhafte Homo floresiensis aus dem schon vor mehr als einer Million Jahren in Südostasien vorkommenden Homo erectus entwickelt haben. © Yousuke Kaifu / GeoMapApp , CC-by 4.0

Neuer Blick auf den Stammbaum

Die neuen Fossilfunde liefern auch weitere Anhaltspunkte zur Abstammung des Homo floresiensis und seiner Vorfahren. Denn die Morphologie des Oberarmknochens und der beiden neuentdeckten Backenzähne zeigen einige Ähnlichkeiten mit denen des Homo erectus aus Java. „Die Hypothese, dass Homo floresiensis in direkter Linie vom Homo habilis abstammt, wird hingegen nicht bestätigt“, schreiben die Forschenden. Der Querschnitt des Oberarmknochens ähnele zudem eher denen von kleinen Frühmenschenarten wie Homo naledi und Homo floresiensis als dem des Vormenschen Australopithecus.

Nach Ansicht von Kaifu und seinem Team stützen die neuen Funde die Hypothese, nach der sich die „Hobbits“ von Flores aus Vertretern des Homo erectus entwickelt haben. „Die evolutionäre Geschichte des Homo floresiensis ist zwar noch immer weitgehend ungeklärt“, sagt Brumm. „Aber die neuen Fossilien sprechen sehr dafür, dass die Geschichte dieser ‚Hobbits‘ tatsächlich begann, als eine Gruppe von Homo erectus vor vielleicht einer Millionen Jahren auf diese entlegene indonesische Insel verschlagen wurde.“

Im Laufe der Zeit verringerte sich dann die Körpergröße dieser „gestrandeten“ Population, weil dies bei den beschränkten Ressourcen auf der Insel einen evolutionären Vorteil darstellte, wie das Team erklärt. Warum diese Vorfahren der „Hobbits“ aber sogar ihr Gehirn schrumpften, ist noch rätselhaft. (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-50649-7)

Quelle: Nature Communications, Griffith University

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