In den Fluten versunken: Die Ruinen der monumentalen Bauten von Nan Madol zeugen vom Untergang eines einst mächtigen Reichs auf der Pazifikinsel Pohnpei. Wann und warum dieses Südsee-Reich unterging, haben nun Archäologen herausgefunden. Demnach versank das Imperium der Saudeleur-Dynastie durch einen Anstieg des Meeresspiegels. Ständige Überflutungen und ein immer aufwändigerer Küstenschutz führten dabei letztlich zur Aufgabe des Küstenortes. Ein ähnliches Schicksal könnte angesichts des Klimawandels viele heutige Inselbewohner treffen.
Auf der zu Mikronesien gehörenden Pazifikinsel Pohnpei stand einst ein monumentaler Komplex, der aus Steinfelsen und fossilem Korallenschutt erbaut wurde: Nan Madol. Das Küstenbauwerk war das administrative, kulturelle und religiöse Zentrum der sogenannten Saudeleur-Dynastie, die über die Insel herrschte. Die Ortschaft besteht aus über 100 miteinander verbundenen Inselchen, die von massiven Deichen und Mauern umgeben sind. Wann genau Nan Madol errichtet wurde und wann es zerfiel, war bislang unbekannt. Daher ist auch unklar, wann und warum das Saudeleur-Reich in der Südsee unterging.
Was geschah mit Nan Madol?
Ein Team um Chuan-Chou Shen von der National Taiwan University in Taipeh hat nun rekonstruiert, wie die Anlage von Nan Madol einst aussah, wann sie gebaut wurde und was danach mit ihr geschah. Dafür nahmen sie vor Ort 167 Proben von in der Konstruktion verbauten Korallenstücken und 18 Proben von Holzkohle und ermittelten mithilfe von Isotopenanalysen deren Alter.
Zudem rekonstruierten Shen und seine Kollegen das einstige Klima in der Region. Dafür modellierten sie insbesondere die damaligen Schwankungen der sogenannten El-Niño-Southern-Oscillation (ENSO), die die periodisch wechselnden Klimaphänomene El Niño und La Niña verursacht. Durch letztere kann der Meeresspiegel regional vorübergehend um bis zu 30 Zentimeter steigen. Nachfolgende Erosionen und Inselabsenkungen können dann auch dauerhafte Pegelanstiege hervorrufen.
Steigender Meeresspiegel
Die Analysen ergaben, dass der Monumentalkomplex von Nan Madol in zwei Phasen errichtet wurde. Die erste dauerte vom frühen 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert, die zweite vom späten 12. bis zum frühen 15. Jahrhundert. Damit ist der Komplex um einige Jahrhunderte älter als zuvor angenommen. Die Klimamodelle zeigten zudem, dass die Insel Pohnpei abgesunken und der Meeresspiegel während dieser Zeit erheblich angestiegen ist.
Während die Pegel rund um die Insel Pohnpei um das Jahr 800 noch 126 Zentimeter niedriger waren als heute, lag der Meeresspiegel im Jahr 1180 nur noch um 90 Zentimeter und im Jahr 1380 nur 70 Zentimeter unter dem heutigen Niveau. Der Meeresspiegel stieg demnach während der Erbauung und Nutzung von Nan Madol um etwa einen halben Meter. Dadurch häuften sich Überschwemmungen: „Nan Madol könnte regelmäßig Welleneinbrüche und eine verstärkte Verschlammung bei Flut erlebt haben“, berichtet das Team.
Einige der Kanäle des Bauwerks waren dadurch bei mittlerer Fluthöhe 70 Zentimeter hoch mit Meerwasser gefüllt, schätzen die Forschenden. Die Ufermauern des Geländes wurden wahrscheinlich immer wieder durch Fluten und Wellen zerstört und mussten repariert oder ersetzt werden. „Der stetige Anstieg des Meeresspiegels während der zweiten Phase erforderte zunehmend umfangreichere und häufigere Schutzmaßnahmen, was wahrscheinlich zu einem verstärkten Bau von Deichen geführt hat“, so das Team.
Küstenschutz wurde zu aufwändig
Shen und seine Kollegen schließen daraus, dass die erste Bauphase vom Aufstieg der Saudeleur-Dynastie zeugt. Das Ende der zweiten Bauphase im 15. Jahrhundert markiert hingegen das Ende der Dynastie, hervorgerufen durch den klimabedingten Meeresspiegelanstieg und die Folgen von Überflutungen. Die Bewohner von Pohnpei mussten damals zunehmend ihre Küsten und Siedlungen schützen und dafür immer mehr Aufwand betreiben – bis sie diese schließlich aufgaben und ihre Gesellschaft neu organisierten, so die Interpretation der Archäologen.
„Dieser Fall ist ein überzeugendes Beispiel dafür, wie widrige Klimabedingungen zwar Investitionen anregen können – in diesem Fall in den Küstenschutz bei hohem Meeresspiegel –, letztlich jedoch zur Aufgabe von Ortschaften beitragen können“, so das Team. Ein ähnliches Schicksal könnte im Zuge des Klimawandels auch Menschen treffen, die heute in Küstengebieten auf Inseln weltweit leben, fürchten die Forschenden. (PNAS Nexus, 2024; doi: 10.1093/pnasnexus/pgae399)
Quelle: PNAS Nexus