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Archäologie

Nazca-Linien: 303 neue Figuren entdeckt

Mit KI-Hilfe entdeckte Nazca-Geoglyphen liefern neue Hinweise auf Motive und Funktion

Nazca-Geoglyphen
Einige der neuentdeckten Nazca-Figuren im peruanischen Hochland. Diese Geoglyphen sind im Schnitt rund zehn Meter groß und gehören damit zu den kleineren, besonders schwer zu findenden Erdbildern. © Sakai et al./ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Rätselhafte Erdbilder: Archäologen haben gleich 303 zuvor unbekannte Nazca-Figuren im peruanischen Hochland entdeckt – die Zahl der figürlichen Nazca-Geoglyphen hat sich damit fast verdoppelt. Die mithilfe einer künstlichen Intelligenz aufgespürten Erdbilder zeigen vorwiegend menschenähnliche Figuren, aber auch abgetrennte Köpfe und Nutztiere wie Lamas. Damit unterscheiden sich diese kleineren Darstellungen in Motiv und Lage deutlich von den größeren, oft abstrakten Nazca-Geoglyphen, wie das Team berichtet. Doch was steckt dahinter?

Schnurgerade Linien, geometrische Muster und gigantische Tierfiguren: Die Nazca-Linien in Peru gehören zu den geheimnisvollsten Zeugnissen vergangener Kulturen. Über Jahrhunderte hinweg scharrten Menschen diese oft kilometergroßen Geoglyphen in den steinigen Wüstenboden. Die Umrisslinien entstanden, indem die Nazca die von dunklem Wüstenlack überzogenen Steine und Krusten entfernten, so dass der hellere Untergrund durchschien. Einige dieser Nazca-Erdbilder sind mehr als 2.000 Jahre alt.

Nazca-Figur
Dieses selbst mit verstärktem Kontrast schwer zu erkennende Nazca-Erdbild zeigt eine rund 18 Meter große menschliche Figur. © Masato Sakai

Doch wozu dienten diese Darstellungen? Und warum sind die größten von ihnen nur aus der Luft zu erkennen? Bisher können auch Archäologen darüber nur spekulieren. Einige vermuten, dass gerade die abstrakten Linien eine Kalenderfunktion hatten und nach astronomischen Bezugspunkten ausgerichtet waren. Die figürlichen Darstellungen könnten hingegen rituellen Zwecken gedient haben, waren aber vielleicht auch einfach nur Kunst. „Es gibt mindestens fünf verschiedene Hypothesen dazu, welchem Zweck die Geoglyphen dienten“, erklären Masato Sakai von der Yamagata Universität und seine Kollegen.

KI als Fahndungshelfer

Das Problem: Gerade die kleineren, figürlichen Nazca-Geoglyphen sind auf der gut 620 Quadratkilometer umfassenden Nazca-Pampa schwer zu finden. Die Scharrlinien sind zudem über die Jahrhunderte verblasst und heben sich daher selbst in hochauflösenden Luftaufnahmen kaum vom umgebenden Wüstenboden ab. „Es dauerte fast ein Jahrhundert, um 430 figurative Nazca-Geoglyphen zu entdecken“, berichten die Archäologen. Daher fehlt bisher ein Überblick, wie viele von ihnen es gibt und was sie darstellen.

Jetzt gibt es Abhilfe – in Form von künstlicher Intelligenz. Denn die modernen neuronalen Netzwerke sind besonders gut darin, subtile Muster in „verrauschten“ Quellen zu entdecken. Für ihre Studie haben Sakai und sein Team ein auf die Luftbild-Auswertung vortrainiertes KI-System verwendet. Dieses trainierten sie anhand von Ausschnitten bekannter Nazca-Geoglyphen darauf, die typischen Linien im Wüstenboden zu erkennen.

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Für die eigentliche Suche erhielt die KI dann neue, hochauflösende Luftbilder aus dem peruanischen Hochland. Die Fahndung konzentrierte sich dabei auf die kleineren, im Schnitt rund zehn Meter großen Nazca-Geoglyphen vom sogenannten Relieftyp.

303 neue Nazca-Figuren auf einen Streich

Und tatsächlich: Die künstliche Intelligenz identifizierte 1.309 Geoglyphen-Kandidaten für noch unbekannte Nazca-Figuren. Einen Teil dieser Kandidaten haben die Archäologen inzwischen vor Ort überprüft – und schon diese ersten Feldexpeditionen erwiesen sich als erfolgreich: „Wir haben 303 neue figürliche Relief-Geoglyphen gefunden und damit die Zahl der zuvor bekannten Geoglyphen dieses Typ fast verdoppelt“, berichten Sakai und sein Team. Zusätzlich entdeckten sie auch 42 neue geometrische Erdbilder.

„Dies demonstriert, dass der KI-gestützte Ansatz vor allem die kleineren Geoglyphen des Relieftyps effektiv aufspüren kann“, konstatieren die Archäologen. „Anders als die riesigen Nazca-Erdbilder vom Linientyp sind gerade sie sehr schwer zu erkennen.“ Ausgehend von ihren bisherigen Überprüfungsergebnissen gehen die Forschenden davon aus, dass sie unter den KI-Kandidaten noch mindestens 248 weitere figurative Geoglyphen finden werden.

Motive der Nazca-Figuren
Motiv-Unterschiede zwischen den kleineren Nazca-Geoglyphen vom Relieftyp und den größeren Erdbildern vom Linientyp. © Sakai et al./ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Was verraten die Geoglyphen über ihren Zweck?

Das Spannende daran: Die neuen Funde erweitern nicht nur die Zahl der bekannten figurativen Nazca-Bilder – sie ermöglichen es nun auch, die Motive und Verteilung der figürlichen Erdbilder genauer zu analysieren. Dabei entdeckten Sakai und sein Team deutliche Unterschiede zwischen den großen Darstellungen vom Linientyp und den kleineren Figuren vom Relieftyp. „Die Linentyp-Geoglyphen zeigen vorwiegend Natur-Motive wie Wildtiere und Pflanzen“, berichten Sakai und seine Kollegen.

Anders ist dies dagegen bei den kleineren Nazca-Figuren: „Die Relieftyp-Geoglyphen stellen zu 81,6 Prozent menschliche Figuren dar, sowie Motive, die in engem Zusammenhang mit dem Menschen stehen“, berichten die Archäologen. So zeigen diese Geoglyphen zu 33,8 Prozent humanoide Gestalten, 32,9 Prozent sind Köpfe ohne Körper und 14,9 Prozent zeigen domestizierte Kamelverwandte wie Lamas und Alpakas. Wildtiere hingegen tauchen nur in knapp sieben Prozent der Darstellungen auf.

Ein weiterer Unterschied zeigte sich in der Lage der Erdbilder: Die größeren Figuren vom Linientyp liegen in einem enger begrenzten Bereich des peruanischen Hochlands und sind eng mit den abstrakten Nazca-Linien verbunden. Die kleineren Geoglyphen verteilen sich hingegen über einen großen Bereich und liegen oft nahe an informellen Pfaden.

Zwei unterschiedliche Funktionen?

Nach Ansicht der Archäologen spricht dies dafür, dass die verschiedenen Nazca-Geoglyphen auch unterschiedliche Funktionen im religiösen Leben und in der Kultur der Nazca hatten. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass auf den riesigen Erdbildern des Linientyps Rituale durchgeführt wurden, möglicherweise zu Beginn oder zum Abschluss einer Pilgerreise durch die Nazca-Pampa“, erklären Sakai und seine Kollegen. Die abstrakten Linien und großen Figuren wurden dabei wahrscheinlich im Rahmen von großen, überregionalen Zeremonien erstellt und abgegangen.

Die kleineren, weiter verteilten Geoglyphen wurden dagegen eher von lokalen Nazca-Gruppen erschaffen. Sie waren vermutlich primär zum Anschauen, nicht zum Begehen gemacht, wie Sakai und sein Team erklären. Deshalb liegen diese kleineren Nazca-Erdbilder auch oft an Hängen und in der Nähe der informellen Wanderrouten. Die stark menschenbezogenen Motive könnten nach Angaben der Archäologen darauf hindeuten, dass diese Nazca-Figuren eher der Übermittlung von Informationen oder zur Unterstützung bei lokalen Riten dienten.

Allerdings steht die Erforschung der Nazca-Geoglyphen erst am Anfang – selbst die KI-gestützte Fahndung hat noch lange nicht alle Erdbilder aufgespürt. Weitere Funde werden daher zeigen müssen, ob die Annahmen von Sakai und seinem Team zutreffen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2407652121)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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