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Archäologie

Neue steinzeitliche Kultur in Marokko entdeckt

Vor 5.000 Jahren befand sich in Oued Beht ein prähistorischer Knotenpunkt

Oued Beht Luftaufnahme
Die Fundstätte Oued Beht liegt im Norden Marokkos. © Toby Wilkinson

Spektakulärer Fund: In Oued Beht im Norden Marokkos haben Archäologen die Überreste einer bislang unbekannten jungsteinzeitlichen Kultur entdeckt. Von 3400 bis 2900 vor Christus erschuf diese den frühesten und größten landwirtschaftlichen Komplex, der jemals jenseits des Nils gefunden wurde. Die Relikte dieser Gesellschaft verraten jedoch nicht nur mehr über ihre Lebensweise, sondern offenbaren auch mögliche Beziehungen zur iberischen Halbinsel.

Der Nordwesten Afrikas hat in der Vergangenheit viele kulturelle Entwicklungen vorangetrieben. Dort lebten schon vor rund 300.000 Jahren einige der frühesten Vertreter des Homo sapiens. Viel später spielte die Maghreb-Region dann eine wichtige Rolle als antikes Herrschaftsgebiet der Karthager und Vandalen und anschließend als Zentrum islamischer Kultur. Doch in der Zeit von 4000 bis 1000 vor Christus klaffte bislang eine große archäologische Lücke.

Eine neue steinzeitliche Gesellschaft

Jetzt haben Archäologen um Cyprian Broodbank von der University of Cambridge im Norden Marokkos erstmals auch Siedlungsrelikte aus diesem bislang so mysteriösen Zeitabschnitt gefunden. In Oued Beht, zwei Autostunden nordöstlich der Hauptstadt Rabat, befindet sich demnach ein fast 20 Hektar großes Areal voller jungsteinzeitlicher Artefakte, das Menschen von 3400 bis 2900 vor Christus bewohnt und landwirtschaftlich genutzt haben.

Die Größe der Fundstelle ist enorm für ihre Zeit und vergleichbar mit dem frühbronzezeitlichen Troja, wie die Archäologen berichten. Bei Oued Beht handelt es sich damit um den frühesten und größten landwirtschaftlichen Komplex, der jemals westlich des Nils entdeckt wurde. Für Broodbank bestätigt der Fund eine langgehegte These: „Seit mehr als dreißig Jahren bin ich davon überzeugt, dass der Mittelmeerarchäologie im spätprähistorischen Nordafrika etwas Grundlegendes entgangen ist. Jetzt wissen wir endlich, dass das richtig war, und wir können anfangen, in neuen Bahnen zu denken.“

Steinwerkzeuge
Die Archäologen fanden unter anderem verschiedene Steinwerkzeuge. © Broodbank et al./ Antiquity, 2024 /CC-by 4.0

Äxte, Silos und Ziegen

Insgesamt fanden die Archäologen auf dem Areal 19.626 Relikte, darunter vor allem Keramikfragmente und Steinsplitter, aber auch 50 Äxte, die wahrscheinlich größtenteils vor Ort hergestellt wurden. Dass auf dem Gelände auch Landwirtschaft betrieben wurde, zeigen erhaltene Mahlwerkzeuge und charakteristische Gruben, die den Einwohnern wahrscheinlich einst als Lagersilos dienten.

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Broodbank und seine Kollegen fanden in den Gruben vor allem Überreste von Gerste, in deutlich geringeren Mengen aber auch Weizen, Erbsen, Oliven und Pistazien. Wie die Analyse von freigelegten Tierknochen ergab, hielten und schlachteten die Menschen von Oued Beht auch einige domestizierte Tiere, darunter Hausziegen, Schafe, Rinder und Schweine.

Parallelen zur iberischen Halbinsel

Interessanterweise überschneidet sich die Lebensweise der Menschen von Oued Beht in einigen Bereichen mit zeitgleichen Funden von der südlichen iberischen Halbinsel. Dort haben Archäologen zum Beispiel ebenfalls siloartige Lagergruben entdeckt. Und auch einige „Designs“ von Alltagsobjekten kommen an beiden Orten vor – darunter bestimmte Sichelelemente aus Feuerstein oder mit rotbraunem Schlicker versehene Töpferwaren.

Doch wie ist es es zu diesen Ähnlichkeiten gekommen? Heute liegt die Fundstätte Oued Beht zwar 100 Kilometer von der Küste entfernt, aber vor 5000 Jahren war der Zugang zum Meer wahrscheinlich noch deutlich näher. Somit wären auch Überfahrten per Boot und ein kultureller Austausch zwischen den Völkern möglich gewesen, wie die Archäologen erklären. Sie betonen: „Es ist von entscheidender Bedeutung, Oued Beht in einem breiteren, sich gemeinsam entwickelnden und verbindenden Rahmen zu betrachten, der Völker auf beiden Seiten der mediterran-atlantischen Pforte während des späteren vierten und dritten Jahrtausends vor Christus umfasst.“

Auf solche kulturellen Bewegungen zwischen Nordwestafrika und Südeuropa hatten in Vergangenheit bereits Elfenbein- und Straußeneier-Funde auf der iberischen Halbinsel hingedeutet. (Antiquity, 2024; doi: 10.15184/aqy.2024.101)

Quelle: University of Cambridge

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