Spektakulärer Fund: Auf einer Insel der norwegischen Stadt Stavanger hat ein Hobby-Schatzsucher einen archäologischen Goldschatz entdeckt – neun goldene Kettenanhänger, zehn Goldperlen und drei Goldringe aus dem sechsten Jahrhundert. Für Norwegen sei dies der Goldfund des Jahrhunderts, so die Archäologen. Vor allem die münzähnlichen Kettenanhänger – sogenannte Brakteaten – sind in Skandinavien rar und die aktuellen Funde zeigen zudem ein ungewöhnliches Motiv.
Gold hatte schon in vergangenen Kulturen Europas einend besonderen Stellenwert. Meist waren Schmuck oder andere Objekte aus Gold den Eliten vorbehalten oder wurden zu Ehren der Götter in Tempeln und Kirchen aufbewahrt. Besonders selten sind größere archäologische Goldfunde in Nord- und Mitteleuropa.
Zehn Goldperlen und neun Goldanhänger
Umso spektakulärer ist eine jetzt in Norwegen gemachte Entdeckung. Der Hobby-Schatzsucher Erlend Bor war im Sommer 2023 mit seinem Metalldetektor an der Küste der Insel Rennesøy im Stadtgebiet von Stavanger unterwegs, als sein Detektor ein lautes Piepen von sich gab. „Zuerst dachte ich, ich hätte nur Schokoladenmünzen in Goldfolie oder Spielgeld gefunden“, erinnert sich Bore. Doch als noch einige goldene Perlen und Ringe dazukamen, benachrichtigte er das Archäologische Museum der Universität Stavanger.
Dort untersuchte der Archäologe Håkon Reiersen die Funde und stellte fest: Die gefundenen Objekte sind aus echtem Gold und stammen aus dem sechsten Jahrhundert. „In Norwegen hat man seit dem 19. Jahrhundert keinen vergleichbaren Fund gemacht“, sagt Reiersen. Die entdeckten Goldobjekte umfassen zehn Goldperlen von knapp einem Zentimeter Größe, drei Ringe aus spiralig gewundenem Golddraht und neun goldene Kettenanhänger, sogenannte Brakteaten. Dabei handelt es sich um einseitig geprägte, münzähnliche Goldscheiben.
„Goldfund des Jahrhunderts“
„Dies ist der Goldfund des Jahrhunderts in Norwegen“, sagt Ole Madsen, Direktor des Archäologischen Museums. Außergewöhnlich sei sowohl die Menge an Gold – es sind insgesamt gut 100 Gramm – als auch die Ausführung und Zahl der Schmuckstücke. „Die neun Brakteaten und die zehn Goldperlen bildeten einst eine beeindruckende Halskette“, sagt Reiersen. „Dieser Schmuck ist von kunstfertigen Juwelieren gefertigt und wurde einst von den Mächtigsten der Gesellschaft getragen.“
Bisher wurden in ganz Skandinavien erst rund tausend Gold-Brakteaten gefunden. „Es ist zudem extrem selten, so viele Brakteaten zusammen zu finden“, so Reiersen. Anders als normale Münzen dienten Brakteaten in der Antike und Spätantike nicht als Währung, sondern wurden als Schmuck getragen. Häufig verliehen Herrscher sie an verdiente Untertanen, die sie dann als Zeichen ihrer Loyalität und ihres hohen Status zur Schau stellten.
Brakteaten mit ungewöhnlichem Motiv
Während im antiken Skandinavien ursprünglich nur Brakteaten aus römischer Fertigung verbreitet waren, begannen die Skandinavier ab dem 5. Jh. auch selbst solche Anhänger herzustellen. Diese zeigten dann oft nordischen Gottheiten, darunter den Gott Odin. „Doch das Motiv der neuentdeckten Brakteaten unterscheidet sie von allen anderen bisher gefundenen“, berichtet der Brakteat-Spezialist Sigmund Oehrl vom Archäologischen Museum.
Typischerweise zeigten die skandinavischen Goldanhänger den Gott Odin in einer Szene aus der nordischen Mythologie. In dieser heilt er das Pferd seines Sohnes Baldur. „Dieser Mythos wurde als Symbol der Erneuerung und Wiederauferstehung angesehen und sollte dem Träger des Schmucks Schutz und gute Gesundheit verleihen“, erklärt Oehrl. Doch auf den neuentdeckten Brakteaten aus Rennesøy ist nur das Pferd zu sehen – ohne Odin.
Oehrl sieht darin einen Hinweis auf eine Verselbstständigung des Symbols: „Ähnlich wie das christliche Symbol des Kreuzes, das sich etwa um die gleiche Zeit im römischen Reich ausbreitete, repräsentierte dieses Pferd Krankheit und Leid, aber gleichzeitig auch Hoffnung und neues Leben“, erklärt der Forscher.
Zeit der Umbrüche und Krisen
Das Motiv der Goldanhänger passt zu der Zeit, aus der diese Brakteaten stammen: Um 550 begann in Skandinavien die sogenannte Migrationsperiode – eine Zeit des Umbruchs, in der ungünstige Klimabedingungen, Missernten und Seuchen eine gesellschaftliche und politische Krise auslösten. „Die verlassenen Bauernhöfe aus dieser Zeit in Rogaland deuten darauf hin, dass die Krise diese Region besonders hart traf“, erklärt Reiersen. Rogaland ist die westnorwegische Provinz, in der Stavanger liegt.
Die spätantike Krisenzeit könnte auch erklären, warum die Goldkette zusammen mit den Ringen nicht als Grabbeigabe auf einem Friedhof gefunden wurde: Wahrscheinlich vergruben ihre Besitzer sie damals zum Schutz vor Raub, vielleicht aber auch als Opfergabe für die Götter, erklärt Reiersen.
Quelle: Universitetet i Stavanger