Spektakulärer Fund: In Pompeji haben Archäologen einen Bankettsaal mit prachtvollen Wandmalereien freigelegt. Die farbigen Fresken an den dunklen Wänden des Raums zeigen Szenen aus Homers Sagen zum Trojanischen Krieg. Zu sehen sind bekannte Sagengestalten wie Paris und die schöne Helena oder die Seherin Kassandra. Auch Göttergestalten wie Apollo blickten auf die speisenden Gäste hinunter – möglicherweise sollten sie ihnen Gesprächsstoff liefern.
Die Überreste von Pompeji geben einzigartige Einblicke in Leben und Alltag der antiken Welt. Denn der Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 begrub die römische Stadt unter Asche und Glutlawinen und konservierte sie bis heute. In ihren Ruinen haben Archäologen sowohl prachtvolle Villen und Prunkkutschen entdeckt als auch einen Straßenimbiss, Alltagsobjekte einfacher Bürger oder die Gebeine von Sklaven. Sogar die DNA eines Vulkanopfers ließ sich noch entschlüsseln.
Doch noch immer sind rund 22 Hektar Pompejis unter Asche und anderen vulkanischen Auswürfen begraben. Etwa ein Drittel der Stadt wartet daher noch darauf, erforscht und ausgegraben zu werden.
Dunkle Wände, farbige Fresken
Jetzt gibt es neue Funde: In der sogenannten Regio IX von Pompeji haben Archäologen einen imposanten Bankettsaal mit angrenzendem Atrium freigelegt. Wände und Boden des rund 15 Meter langen und sechs Meter breiten Raums sind weitgehend intakt erhalten. Sie geben nun einen einzigartigen Einblick in ein Restaurant zur römischen Zeit. „Die Wände waren schwarz grundiert, damit der sich ablagernde Rauch und Ruß der Lampen nicht zu sehen war“, berichtet Gabriel Zuchtriegel, Direktor des Archäologischen Parks Pompeji.
Auf dem dunklen Wänden prangten zahlreiche farbige Fresken. Die kunstvoll ausgeführten Wandmalereien zeigen Figuren aus der „Ilias“ des Homer – einem Epos, das Ereignisse rund um den Trojanischen Krieg beschreibt. Die mythologischen Helden und Götter sollten den Gästen im Bankettsaal vermutlich als Inspiration und Anregung für ihre Unterhaltungen dienen, wie die Archäologen erklären.
„Wenn man sich hier nach Sonnenuntergang zum Festmahl zusammenfand, schien der flackernde Lampenschein die Figuren förmlich zum Leben zu erwecken – vor allem nach ein paar Gläsern guten kampanischen Weins“, so Zuchtriegel.
Liebespaar, Seherin und Gott
Auf einer der Malereien zu sehen ist das berühmte Liebespaar, das den Krieg um Troja entfacht haben soll: Paris, der Sohn des trojanischen Königs Priamos, und seine schöne Geliebte Helena, die Ehefrau des König von Sparta. Ebenfalls im Bankettsaal abgebildet ist die Seherin Kassandra. Laut Homers Sagen konnte sie die Zukunft sehen und warnte Troja vor dem trojanischen Pferd und dem Untergang ihrer Stadt. Doch die Bewohner hörten nicht auf sie. Kassandra wird nach dem von ihr prophezeiten Sieg der Griechen versklavt und getötet.
Ein weiteres Fresko zeigt den antiken Gott Apollo, der als Beschützer der Künste und Musik galt. Der Sage nach verlieh er Kassandra ihre Gabe der Weissagung und stand beim Trojanischen Krieg auf der Seite Trojas. „Diese Figuren erzählen uns von der Beziehung zwischen Individuum und Schicksal: Kassandra kann die Zukunft sehen, aber keiner glaubt ihr. Apollo kann trotz seiner göttlichen Natur Troja nicht vor der Niederlage bewahren und Helena und Paris lösen mit ihrer unerwünschten Liaison einen Krieg aus“, erklärt Massimo Osanna, Direktor der Museen von Pompeji.
Graffiti unter der Treppe
Der antike Bankettsaal, in dem die Fresken entdeckt wurden, öffnete sich in einen Innenhof, von dem ein offener Gang ausging – möglicherweise der Zugang für die Bediensteten. Eine lange Treppe führte zudem in ein oberes Stockwerk, wie die Archäologen berichten. Unter den Bögen der Treppe hat das Team zudem antike Graffiti entdeckt: In groben Kohlestrichen hat jemand zwei Gladiatoren-Paare und einen enormen, stilisierten Phallus auf den rauen Putz gezeichnet.
Dies demonstriert erneut, dass die Ruinen von Pompeji nicht nur die Pracht der antiken Eliten konserviert hat, sondern auch einzigartige Zeugnisse des Lebens der einfachen Leute. „Pompeji ist wirklich eine Schatztruhe, die nicht aufhört, uns zu überraschen und uns in Erstaunen zu versetzen“, sagt der italienische Kulturminister Gennaro Sangiuliano. „Jedes Mal, wenn wir dort graben, finden wir etwas Schönes und Bedeutendes.“
Die Ausgrabungen in diesem Teil der antiken Stadt sind noch lange nicht abgeschlossen. Weitere Funde sind daher zu erwarten.
Quelle: Parco archeologico di Pompei