Der Tod kam zweifach: Als Pompeji durch den Ausbruch des Vesuvs zerstört wurde, wurden seine Bewohner Opfer einer doppelten Katastrophe. Denn nach dem Ascheregen ließ ein Erdbeben Gebäude einstürzen und tötete viele drinnen Schutz suchende Menschen – darunter auch zwei jetzt in Pompeji entdeckte Erdbebenopfer. Die Überlebenden flüchteten ins Freie, nur um dann von den nun folgenden, glühend heißen pyroklastischen Strömen des Vulkans überrascht zu werden.
Der Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 bedeutete das Ende für die antike Stadt Pompeji: Es regnete Asche vom Himmel und Glutlawinen aus heißen Gasen und Asche rasten die Vulkanflanken hinab und brachten vielen Bewohnern den sofortigen Tod. Viele von ihnen wurden noch auf der Flucht von diesen pyroklastischen Strömen eingeholt, ihre Überreste wurden von der verdichteten Asche nahezu perfekt konserviert – sogar die DNA einiger Opfer blieb erhalten. Diese Relikte verraten einiges darüber, wie diese Menschen lebten, was sie glaubten und auch, wie sie starben.
Von einer einstürzenden Wand begraben
Doch Asche und Glut des Vulkans waren offenbar nicht die einzigen Ursachen für Tod und Zerstörung in Pompeji – es war ein weiterer Faktor am Werk, wie Archäologen entdeckt haben. Den entscheidenden Hinweis darauf erhielt das Team um Domenico Sparice vom Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) in Rom bei Ausgrabungen in der Region IX von Pompeji. Von diesem zum Stadtzentrum gehörenden Viertel sind bisher erst einige Gebäude freigelegt.
Die jüngsten Funde stammen aus dem Haus der Maler (Casa dei Pittori al Lavoro), in dem die Archäologen die Skelette zweier rund 50 Jahre alter Männer fanden. Einer der beiden Männer lag halb unter dem großen Fragment einer Mauer begraben – offenbar war er beim Kollaps der Wand von deren Trümmern erschlagen worden. Der zweite Mann hatte wohl noch versucht, sich vor den herabstürzenden Trümmern zu schützen: In seinen Händen fanden sich Reste eines runden Holzobjekts, das er möglicherweise über sich gehalten hatte.
Erste Eruptionsphase überlebt…
„Die Merkmale dieser Funde passen nicht zu den Folgen des Vulkanausbruchs, wie sie typischerweise in der Literatur zu Pompeji beschrieben werden“, sagt Sparices Kollege Mauro Di Vito. So starben diese beiden Männer weder durch Ersticken an der Asche noch durch die extreme Hitze der Glutlawinen. Die Lage der Skelette auf einer Schicht Bimsstein und Vulkanasche legt nahe, dass diese beiden Pompejianer die erste Phase der Eruption überlebt haben müssen.
Während dieser ersten, rund 18 Stunden andauernden Ausbruchsphase spie der nahe Vesuv enorme Mengen an Asche und Bimssteinbrocken. Dieser dichte Regen vulkanischer Auswurfsprodukte ging über Pompeji und Herculaneum nieder und brachte die Menschen dazu, in ihren Häusern Schutz zu suchen. Als dann der Aschenregen nachließ, glaubten die Bewohner von Pompeji, nun das Schlimmste überstanden zu haben.
…aber vom Erdbeben erschlagen
Ein folgenschwerer Irrtum: Noch bevor die Glutlawinen der zweiten Ausbruchsphase über Pompeji hinwegrasten, ereignete sich eine weitere Katastrophe: Starke Erdstöße erschütterten die Stadt und brachten zahlreiche Gebäude zum Einsturz, wie die Archäologen anhand ihrer neuen Funde entdeckt haben. „Wir konnten belegen, dass die Erdstöße eine signifikante Rolle bei der Zerstörung von Pompeji spielten“, sagt Sparice. Dies bestätigt historische Berichte von Plinius dem Jüngeren, der beim Vesuvausbruch einen schwankenden Boden beschrieb.
Für viele Bewohner der antiken Stadt wurden diese Erdbeben zur Todesfalle: „Die Menschen, die nach dem Aschenregen in den schützenden Räumen blieben, fielen dem vom Erdbeben verursachten Kollaps der ohnehin schon überlasteten Gebäude zum Opfer – auch die beiden jetzt entdeckten Männer“, erklärt Koautorin Valeria Amoretti vom Archaeologischen Park Pompeji.
Doch auch diejenigen, die sich rechtzeitig aus den Häusern nach draußen flüchten konnten, entgingen dem Tod nicht: Sie waren den nun eintreffenden pyroklastischen Strömen ungeschützt ausgesetzt – viele von ihnen wurden auf offener Straße von den Glutlawinen überrascht.
„Ein komplexes Puzzle“
Bisher ist nicht geklärt, wie viele Bewohner Pompejis durch das Erdbeben starben und wie viele durch die direkten Auswirkungen des Vulkanausbruchs. Auch wie genau Erdbeben und Vulkanausbruch zusammenhingen, ist noch Teil der Untersuchungen. Diese kausalen Beziehungen zu entschlüsseln, sei jedoch essenziell, um die Interaktion zwischen vulkanischen und seismologischen Phänomenen besser zu verstehen.
„Es ist wie ein komplexes Puzzle, bei dem wir erst noch die Teile zusammenfügen müssen, um das ganze Bild zu erhalten“, erklärt Sparice. Erst dann lassen sich auch die letzten Stunden Pompejis und seiner Bewohner zuverlässig rekonstruieren. (Frontiers in Earth Science, 2024; doi: 10.3389/feart.2024.1386960)
Quelle: Frontiers