Flach, rund und belegt: Archäologen haben in Pompeji ein Wandgemälde entdeckt, das eine frühe Vorform der Pizza zeigen könnte. Denn auf dem fast 2.000 Jahre alten Fresko ist eine runde, flache Teigunterlage mit einem Belag aus verschiedenen Früchten zu sehen. Damit scheint dieser entfernte Verwandte der Pizza eher ein Süßgebäck als deftig zu sein. Die Form und Präsentation dieses Gebäcks könnte zudem auf antike Opferpraktiken zurückgehen, in denen flache Teigscheiben als Unterlage für essbare Opfergaben dienten.
Ob Reste eines antiken Imbisses, prachtvolle Villen, Prunkkutschen oder die Alltagsobjekte einfacher Bürger: Die Überreste der antiken Stadt Pompeji liefern so tiefe Einblicke in das Alltagsleben der römischen Antike wie sonst kein anderer Ort. Denn die Stadt und viele ihrer Bewohner wurden im Jahr 79 nach Christus unter der Asche, den pyroklastischen Strömen und der Lava des Vesuv begraben und konserviert. Bis heute arbeiten Archäologen daran, die Überreste des antiken Pompeji auszugraben und zu erforschen.
Runde Teigplatte mit Belag
Jetzt gibt es einen neuen Fund: Ein Team vom Archäologischen Park Pompeji hat im Atrium eines Hauses ein Wandgemälde mit einem interessanten Stillleben entdeckt. Das Fresko zeigt ein silbernes Tablett, auf dem neben einem Weinglas und verschiedenen Früchten auch ein rundes, flaches Gebäckstück zu sehen ist. Die Teigscheibe trägt einen Belag aus einer Art Pesto, Granatapfelkernen und möglicherweise Datteln, wie die Archäologen berichten.
Auf den ersten Blick ähnelt dieses Gebäck damit stark einer Pizza, wenn auch ohne Tomatensoße und Mozzarella und in süßer Form. Tatsächlich war die echte neapolitanische Pizza zwar damals noch nicht erfunden, aber es gab bereits ganz ähnliche Backwaren. Denn schon in der griechischen und römischen Antike nutzte man runde Teigscheiben als Unterlage für süße oder deftige Speisen.
Antikes Symbol der Gastlichkeit
Die antiken Teigplatten und ihr Belag waren allerdings kein „Junkfood“, sondern hatten eine spezifische, auf die griechische Antike zurückgehende Funktion, wie die Archäologen erklären: Sie waren Symbole der Gastfreundschaft und wurden Gästen des Hauses als Ausdruck des Willkommens und der Wertschätzung angeboten. Deshalb wurden runde, belegte Fladen häufig als Symbol der Gastlichkeit auf Wandgemälden dargestellt.
„Das Fresko erlaubt es uns nicht nur, die dargestellten Speisen zu identifizieren, es spiegelt auch die hellenistischen Traditionen wider, wie sie von römischen Schriftstellern wie Vergil, Martial und Philostratus beschrieben werden“, erklärt Gabriel Zuchtriegel, Generaldirektor des Archäologischen Parks Pompeji. So schildert der römische Dichter Vergil in seinem Werk „Aeneis“, wie die Trojaner nach einem Mahl auch die „Tische“ mitaßen – gemeint war die Teigunterlage.
Den Überlieferungen zufolge wurden jedoch auch Opfergaben auf solchen runden Teigunterlagen gereicht. „Ihre runde Form verweist daher auf die heilige Sphäre und auf die Sphäre der Gastfreundschaft“, erklären die Archäologen.
Atrium einer römischen Bäckerei
Dazu passt, dass das Fresko mit der antiken „Pizza“ die Wand eines ummauerten Hofs zierte, der direkt an eine Bäckerei grenzte. Dieses Gebäude war schon Ende des 19. Jahrhunderts teilweise ausgegraben worden, damals hatte man aber Schutt und Trümmer im Atrium liegen gelassen. Erst als die Archäologen im Rahmen ihrer aktuellen Ausgrabungen diesen Schutt beseitigten, entdeckten sie das Fresko.
In einem Raum direkt neben dem Atrium legten die Ausgrabungen die Öffnung eines Backofens frei – möglicherweise war dies die Backstube der antiken Bäckerei. In den Räumen neben dieser Backstube wurden die Überreste dreier Menschen gefunden, die offenbar einst in dieser Bäckerei arbeiteten. Beim Ausbruch des Vesuvs wurden sie von den die Vulkanhänge hinabrasenden Aschenströmen überrascht und verschüttet.
„Pompeji hört nicht auf, uns zu überraschen – es ist eine Schatztruhe, aus der immer neue Schätze zutage treten“, kommentiert der italienische Kulturminister Gennaro Sangiuliano. In Pompeji sind noch immer rund 22 Hektar der antiken Stadt unter Asche und anderen vulkanischen Auswürfen begraben. Etwa ein Drittel der Stadt wartet noch darauf, erforscht und ausgegraben zu werden.
Quelle: Parco Archeologico di Pompei