Archäologie

Rätsel um Tierskelette in Menschengräbern

Warum wurden Menschen vor mehr als 2.000 Jahren zusammen mit Hunden begraben?

Überreste eines Tieres in einem Menschengrab
Beerdigung Nr. 19: gemeinsame Beisetzung eines Hundes und eines Menschen. Foto von S.R. Thompson, mit freundlicher Genehmigung von SABAP-VR. © Laffranchi et al., 2024, CC-by 4.0

Haustiere oder religiöser Brauch? Archäologen haben in Norditalien Gräber aus der Späten Eisenzeit entdeckt, in denen Menschen zusammen mit Hunden, Pferden und anderen Tieren begraben wurden. Wie es dazu kam, ist unklar. Möglicherweise hatten die tierischen Begleiter einen persönlichen oder religiösen Wert für die Toten, vermuten die Forschenden.

In prähistorischen und frühgeschichtlichen Gräbern sind tierische Grabbeigaben keine Seltenheit. Sie finden sich in verschiedenen Kulturen und Regionen der Erde. Oft gibt es jedoch nicht genug schriftliche Quellen und archäologische Aufzeichnungen, um zu verstehen, welche kulturellen Praktiken jeweils hinter dem Beerdigungsritual stecken. Wenig bekannt ist unter anderem über frühere Gebräuche auf der italienischen Halbinsel.

Von Hühnern bis zu Pferden

Ein Forschungsteam um Zita Laffranchi von der Universität Bern hat nun in einer archäologischen Stätte in Norditalien Überreste von gemeinsam bestatteten Menschen und Tieren entdeckt – Funde, die für die Region bisher vergleichsweise selten sind. Die Gräber stammen aus dem dritten bis ersten Jahrhundert vor Christus und damit wahrscheinlich aus der keltisch-gallischen Cenomanen-Kultur der Späten Eisenzeit, wie Radiokarbondatierungen zeigten. Zu der Zeit dominierten die Römer die Gegend noch nicht, römische Einflüsse gab es aber bereits.

Insgesamt fanden die Archäologen in der Nekropole Seminario Vescovile in Verona die Skelette von 161 Personen, von denen 16 zusammen mit tierischen Überresten begraben worden waren. Einige Gräber enthielten Knochen von Schweinen, Hühnern oder Kühen, vier Gräber aber auch Überreste von Hunden und Pferden, wie Laffranchi und ihre Kollegen berichten.

Welchen Zweck hatten die tierischen Grabbeigaben?

Um herauszufinden, was hinter den Tierbestattungen steckt, analysierten die Forschenden die damalige Bevölkerungsstruktur, die Ernährungsgewohnheiten und die Genetik der toten Menschen und Tiere sowie den Zustand der Gräber. Dabei fanden sie jedoch keinen Zusammenhang, der eindeutig Aufschluss über die Rolle der tierischen Begleiter geben könnte. Die Toten waren demnach zum Beispiel nicht eng miteinander verwandt. Die tierischen Grabbeigaben waren daher wahrscheinlich keine spezielle Familientradition oder Indikator für einen vererbten Status, schließen Laffranchi und ihre Kollegen.

Darüber hinaus waren die mit Hunden und Pferden bestatteten Menschen unterschiedlich alt und verschieden gut mit Grabbeigaben ausgestattet: Unter ihnen war beispielsweise ein Baby, das mit einem kompletten Hundeskelett gefunden wurde, ein nur mit einzelnen Pferdeteilen begrabener junger Mann, ein Mann mittleren Alters mit einem kleinen Hund sowie eine Frau mittleren Alters mit einem kompletten Pferdeskelett, weiteren Überresten von Pferden und einem Hundeschädel. Die Forschenden schließen daraus, dass die Tiere wahrscheinlich keine Indikatoren für Status oder Macht basierend auf Alter oder Geschlecht waren.

Mehrere mögliche Erklärungen

Warum die Menschen damals zusammen mit Tieren bestattet wurden, ist daher weiter unklar. Die Funde lassen mehrere Interpretation zu. Eine Möglichkeit ist, dass die Tiere den Toten als symbolische Nahrung mit auf den letzten Weg gegeben wurden, so die Forschenden. Dafür spreche, dass die meisten gefunden Tiere typische „Lebensmittel“ seien. Nicht in dieses Bild passen allerdings Hunde und Pferde, die in Eurasien für gewöhnlich nicht gegessen werden und zur damaligen Zeit und in der keltischen Kultur eher rituell und symbolisch geopfert wurden.

Eine andere Erklärung wäre, dass die Toten zu Lebzeiten eine langjährige kameradschaftliche Beziehung zu den mit ihnen bestatteten Tieren pflegten, spekulieren Laffranchi und ihre Kollegen. Die Menschen könnten demnach mit ihren Haus- oder Nutztieren begraben worden sein. Es könnte sich bei den tierischen Begleitern aber auch um religiöse Opfergaben handeln. Denn Hunde und Pferde hatten in alten Kulturen oft eine religiöse Symbolik, heißt es in der Studie. „Dies schließt die Möglichkeit nicht aus, dass bestimmte Tiere sowohl mit einer bestimmten Symbolik in dieser Kultur in Verbindung gebracht wurden als auch im Laufe ihres Lebens geliebte Begleiter waren“, berichten die Forschenden.

Unbekannte Rituale?

Die gleichzeitige Bestattung von Mensch und Tier könnte möglicherweise auch durch das Zusammenspiel verschiedener individueller Merkmale und gesellschaftlicher Bräuche zustande gekommen sein. Es wäre demnach denkbar, dass es mehr als eine Erklärung und Einflüsse mehrerer Kulturen gibt – etwa von den Römern oder der transalpinen La-Tène-Kultur. „Die Funde könnten zudem auf bislang unbekannte Rituale und Glaubensvorstellungen im Italien der späten Jahrhunderte vor Christus hinweisen“, sagen die Archäologen. (PLoS ONE, 2024; doi: 10.1371/journal.pone.0293434)

Quelle: PLOS

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