Geheimnis des „ewigen“ Lebens: Archäologen haben erstmals herausgefunden, wie die ägyptischen Mumienmacher ihre Toten konservierten und welche Zutaten die Mumien so haltbar machten. Möglich wurde dies dank beschrifteter Gefäße aus einer gut 2.300 Jahre alten Einbalsamierungswerkstatt in der ägyptischen Nekropole Sakkara. Analysen der Gefäßinhalte enthüllen, welche Essenzen und Inhaltsstoffe sich hinter den Mumifizierungs-Rezepten verbergen – und woher sie kamen.
Ob Tutanchamun, Ramses III. oder die Pharaonin Hatschepsut: Viele Einblicke in das Leben und Sterben altägyptischer Herrscher und Eliten verdanken wir ihren Mumien. Denn im Glauben der alten Ägypter ermöglichte erst die möglichst perfekte Konservierung des Körpers ein gutes Weiterleben im Jenseits. Um dies zu erreichen, unterzogen Einbalsamierer und Priester die Leichname hochrangiger Toter einer aufwendigen, bis zu 70 Tage dauernden Prozedur.
Bei dieser Mumifizierung wurden den Toten unter Gebeten und Beräucherung mit duftenden Dämpfen die leicht verderblichen inneren Organe entfernt und getrennt in Gefäßen aufbewahrt. Dann entzog man dem Leichnam mithilfe von Natronsalzen und anderen Mitteln das Wasser und wusch Körperinneres und Haut mit Essenzen und Ölen, die das Wachstum von zersetzenden Bakterien und Pilzen hemmen. Schließlich wurde der Körper mit in weiteren Essenzen getränkten Leinenbinden umwickelt, die die sterblichen Überreste vor äußeren Einflüssen schützen sollten.
Was verbirgt sich hinter den ägyptischen Rezepten?
„Die Fähigkeit der alten Ägypter, den menschlichen Körper durch diese Einbalsamierung zu konservieren, hat schon die Menschen der Antike fasziniert“, erklären Maxime Rageot von der Universität Tübingen und seine Kollegen. „Gleichzeitig blieb aber immer die Frage, wie dieser außerordentliche chemische und rituelle Prozess praktisch ablief.“ Denn welche Essenzen die ägyptischen Einbalsamierer verwendeten, war bisher kaum bekannt. Bisherige Analysen von Mumien gewährten dazu nur wenige Einblicke.
Ein weiteres Problem: „Namentlich sind viele dieser Balsamierungsstoffe seit der Entzifferung der altägyptischen Schrift bekannt“, sagt Grabungsleiterin Susanne Beck von der Universität Tübingen. Denn Archäologen haben bereits einige Papyri gefunden, auf denen Zutaten und Rezepte für die Mumienherstellung verzeichnet waren. „Aber welche Substanz sich hinter einem Namen verbarg, konnten wir bislang nur erahnen“, so Beck.
Mumienwerkstatt mit beschrifteten Gefäßen
Jetzt klärt ein archäologischer Glücksfall diese Fragen. Denn in der ägyptischen Nekropole Sakkara, rund 20 Kilometer südlich von Kairo, wurde im Jahr 2016 eine weitgehend intakte Mumifizierungswerkstatt entdeckt. Diese unterirdische Werkstatt aus dem 6. bis 7. Jahrhundert vor Christus lag an einem Schacht, der zu mehreren tiefer gelegenen Felsgräbern führte. Das Spannende daran: Neben unzähligen Gefäßscherben fanden die Archäologen dort auch 121 intakte, teilweise beschriftete Behälter mit Rückständen ihres einstigen Inhalts.
„Diese Gefäße waren mit Texten beschriftet, die Einbalsamierungs-Instruktionen umfassten – beispielsweise ‚Am Kopf anzuwenden‘ oder ‚Hiermit bandagieren oder einreiben'“, berichten Rageot und seine Kollegen. Auch die Namen der Substanzen waren häufig angegeben, außerdem manchmal auch der Name des für die Balsamierwerkstatt oder Nekropole Verantwortlichen.
Indem die Archäologen die Inhaltsrückstände dieser Gefäße chemisch analysierten, konnten sie erstmals ermitteln, was hinter den ägyptischen Bezeichnungen für Zutaten und Methoden der Einbalsamierung steckte.
Öle, Harze und Bienenwachs
Schon die Analysen der ersten 31 Gefäße lieferten aufschlussreiche Einblicke in das Handwerk der altägyptischen Mumienmacher. So enthielten fast zwei Drittel der Einbalsamierungs-Essenzen Öl und Pech, das aus Wachholder oder Zypressen hergestellt worden war. Auch verschiedene Baumharze, Bienenwachs und Pflanzenöle kamen zum Einsatz, darunter auch Rizinusöl. Von diesen ist bekannt, dass sie antibakterielle und antifungale Wirkung besitzen.
„Sie könnten dabei geholfen haben, die menschlichen Gewebe zu konservieren“, so die Archäologen. Pflanzenpech, Harze und Bienenwachs dienten zudem dazu, die Poren und Körperöffnungen abzudichten und Feuchtigkeit fernzuhalten. Beimischungen ätherischer Öle und tierischer Fette verliehen diesen Essenzen zudem eine gute Konsistenz und einen angenehmen Geruch. Die Inschriften auf den Gefäßen verrieten zudem, dass einige dieser Essenzen nur an bestimmten Körperteilen angewendet wurden, etwa Pistazienharz und Rizinusöl ausschließlich für den Kopf.
„Die Einbalsamierer waren sich der chemischen und bioaktiven Eigenschaften dieser Substanzen offensichtlich bewusst und besaßen umfassende Kenntnisse über Zubereitungsformen verschiedener Ingredienzen“, schreibt das Team.
Rätsel von „Antiu“ und „Sefer“ gelöst
Die Funde klären auch, was hinter zwei oft in ägyptischen Texten erwähnten Zutaten steckt: „Seit langer Zeit wurde die von den alten Ägyptern als Antiu bezeichnete Substanz mit Myrrhe oder Weihrauch übersetzt“, berichtet Rageot. Doch die Analysen enthüllen nun, dass sich dahinter eine Mischung aus Zedernöl, Pech aus Wachholder oder Zypressen und verschiedenen Tierfetten verbarg. „Antiu war demnach ein Produkt, das von den Mumienmachern gezielt hergestellt wurde und das mindestens zwei verschiedene Nadelbaumöle sowie Tierfette enthielt“, so die Archäologen.
Eine zweite aus ägyptischen Schriften bekannte Zutat ist „Sefer“. „Dabei handelte es sich um eines der sieben heiligen Öle, die beim Einbalsamieren und dem Ritual der Mundöffnung verwendet wurden“, erklären Rageot und seine Kollegen. Ihre Analysen enthüllen nun, dass es sich dabei um eine mit ätherischen Ölen aromatisierte Salbe aus Tierfetten handelte.
Zutaten sogar aus Fernost
Überraschend ist auch die Herkunft einiger Zutaten: „Besonders überraschend war für uns, dass der größte Teil der während der Balsamierung verwendeten Substanzen nicht aus Ägypten selbst stammt, sondern aus dem Mittelmeerraum und sogar auch aus dem tropischen Afrika und Südostasien importiert wurde“, berichtet Koautor Philipp Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität München.
So wurde in vielen Essenzen das Harz des Elemi-Baums (Canarium sp.) verwendet, einem im tropischen Afrika und in Südostasien beheimateten Balsambaumgewächs. Außerdem verwendeten die altägyptischen Mumienmacher Öl des Dammar-Baums, einem nur in Südostasien vorkommenden Vertreter der Flügelfruchtgewächse (Dipterocarpaceae). „Die Herkunft dieser Substanzen liefert uns Belege für ein fast weltumspannendes Netzwerk“, so die Archäologen.
Schon vor 3.000 Jahren nutzten die ägyptischen Priester und Eliten demnach Fernhandelsbeziehungen bis nach Asien, um sich die für die Mumifizierung nötigen Zutaten zu verschaffen. „Und die Funde aus Sakkara geben uns nur einen ersten Einblick in die Handels- und Tauschnetzwerke, die für die damalige Einbalsamierungs-Industrie notwendig waren.“ (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-022-05663-4)
Quelle: Universität Tübingen/ Ludwig-Maximilians-Universität München