Antiker Smog: Die Luft im Römischen Reich war offenbar stark mit Blei verschmutzt, wie Klima-Analysen von arktischen Eisbohrkernen enthüllen. Die Daten zeigen auch, wie sich die Luftverschmutzung im Zuge des Aufstiegs und Falls des Imperiums veränderte – eine Folge der wirtschaftlichen Entwicklungen und des damaligen Silberbergbaus. Die Bleibelastung könnte sich auch auf die geistigen Fähigkeiten der europäischen Bevölkerung ausgewirkt haben, sodass ihr IQ merklich sank.
Blei ist ein giftiges Schwermetall und bekannter Luftschadstoff. Atmen wir es ein, gelangt es über die Lunge in unseren Blutkreislauf – mit teils verheerenden Folgen. Bei Erwachsenen ist eine hohe Bleibelastung unter anderem mit einer verminderten Immunantwort, Unfruchtbarkeit und Anämie verbunden. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Gedächtnisverlust können eine Folge sein. Bei Kindern kann schon eine geringe Bleimenge Konzentrationsprobleme verursachen und den IQ senken. Daher gelten heute strenge Richtlinien, unter anderem für bleihaltiges Benzin. Doch welche Folgen hatte Blei, bevor dessen krankmachende Wirkung bekannt war?
Eisbohrkerne zeigen historische Luftschadstoffe
Um diese Frage zu klären, hat ein Team um Joseph McConnell vom Desert Research Institute (DRI) in Nevada nun untersucht, wie stark die Erdatmosphäre in der Vergangenheit mit Blei verschmutzt war – insbesondere während der Zeit des Römischen Reiches zwischen 500 vor Christus und 600 nach Christus. Dafür entnahmen die Hydrologen, Archäologen und Historiker drei Eisbohrkerne aus der Arktis, wo sich über Jahrtausende dicke Eisschilde gebildet haben. In den Eissäulen ist Zentimeter für Zentimeter das Klima der damaligen Zeit archiviert.
Das Team schmolz das Eis kontrolliert im Labor und ermittelte die darin enthaltene Konzentration von Blei und anderen Luftschadstoffen. Mit Computermodellen zur Aerosolbewegung in der Atmosphäre erstellten die Forschenden dann Karten der einstigen Bleibelastung in ganz Europa.
Hohe Bleiverschmutzung während des Römischen Reiches
Das Ergebnis: Die Bleiverschmutzung der Luft begann schon während der Eisenzeit und stieg zunächst bis zum späten 2. Jahrhundert vor Christus an. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Römische Republik auf ihrem ersten Höhepunkt. Während der nachfolgenden Krise des Imperiums im 1. Jahrhundert vor Christus ging die Bleibelastung dann vorübergehend stark zurück, bevor sie um 15 vor Christus mit dem erneuten Aufstieg des Römischen Reiches wieder anstieg. Die Bleibelastung blieb nachfolgend hoch, bis zur Antoninuspest, die von 165 bis 180 nach Christus wütete und an der rund zehn Prozent der Menschen in Europa starben.
Den Untersuchungen zufolge wurden während dieser fast 175-jährigen Blütezeit des Römischen Reiches, der Pax Romana, mehr als 500 Kilotonnen Blei in die Atmosphäre freigesetzt. Zwar wurden diese Werte später mehrfach erheblich übertroffen, dennoch stellten sie ein bis dato historisches Langzeithoch dar.
„Diese Forschung verändert unser Verständnis der Ära, indem sie genaue Verbindungen zwischen den Aufzeichnungen der Bleiverschmutzung und historischen Ereignissen wie Bevölkerungsrückgängen im Zusammenhang mit periodischen Seuchen und Pandemien aufzeigt“, sagt Seniorautor Andrew Wilson von der Universität Oxford.
Woher kam das Blei?
Die Eisbohrkerne legen damit nahe, dass das Maß der Bleiverschmutzung zur Zeit des Römischen Reiches mit dessen wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Auf- und Abschwung zusammenhing. Gedieh das Römische Reich, stieg der Bleigehalt in der Luft, während Krisen sank er. Doch woher stammte das Blei?
Aus historischen Texten ist bekannt, dass Blei damals in Wasserleitungen, Geschirr, Kosmetika und Farben vorkam. Die Analyse der Bleiisotope bestätigt nun jedoch auch frühere Funde, wonach das Blei in diesem Zeitraum größtenteils aus dem Bergbau und aus Verhüttungsbetrieben in ganz Europa kam.
Vor allem im Zuge des Silberbergbaus, bei dem das bleireiche Mineral Galenit (Bleiglanz) eingeschmolzen wurde, um daraus Silber zu gewinnen, gelangte Blei in die Atmosphäre. Für jede Unze gewonnenen Silbers wurden dabei Tausende Unzen Blei frei, wie das Team erklärt. Da Silber damals die Grundlage der römischen Wirtschaft bildete, belegt die Studie, dass „der Mensch seine Gesundheit seit Tausenden von Jahren durch industrielle Aktivitäten beeinflusst“, sagt McConnell.
Bleibelastung senkte IQ der Bevölkerung
Doch welche gesundheitlichen Folgen hatte die bleihaltige Luft zur Zeit Roms? Um das herauszufinden, verglichen McConnell und seine Kollegen ihre Blei-Analysen auch mit neueren epidemiologischen Studien, die die Bleiexposition mit dem kognitiven Verfall in Verbindung bringen. Demzufolge könnte die Bleibelastung der Luft während der Pax Romana zu einem durchschnittlichen Bleigehalt im Blut von Kindern unter fünf Jahren von etwa 3,4 Mikrogramm pro Deziliter geführt haben. Auch bei Kindern unter elf Jahren stiegen die Blutwerte wahrscheinlich an.
Infolgedessen wäre das durchschnittliche IQ-Niveau der europäischen Bevölkerung während der Römischen Herrschaft um mindestens 2,5 bis drei Punkte gesunken. „Eine IQ-Reduktion um zwei bis drei Punkte klingt nicht nach viel, aber wenn man das auf die gesamte europäische Bevölkerung anwendet, ist das eine große Sache“, sagt Chellman. Demnach verringerte die Bleibelastung die geistigen Fähigkeiten der damals lebenden Menschen erheblich. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2025; doi: 10.1073/pnas.2419630121)
Quelle: Desert Research Institute; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)