Feuerbestattungen und treue Hunde: Im Südwesten Schwedens haben Archäologen einen riesigen Wikinger-Friedhof entdeckt. Er umfasst mehr als 139 Gräber, mehrere Grabhügel in Schiffsform und unzählige Grabbeigaben aus der Zeit vor rund 1.200 Jahren. Reste von Feuern und verkohlte Knochenfragmente zeugen von der damals üblichen Verbrennung der Toten. Anschließend wurde ihren Relikten ein Tieropfer mit ins Grab gegeben – oft begleitete auch ihr Hund die Toten ins Jenseits.
Vor rund tausend Jahren dominierten die Wikinger weite Teile Nordeuropas. Sie besaßen ein weites Handelsnetz, navigierten ihre Schiffe bis nach Grönland und Nordamerika und waren als Krieger und Eroberer gefürchtet. Grabfelder und Bootsgräber in Skandinavien liefern Einblicke in ihre Glaubenswelt und Bestattungsriten, haben aber auch verraten, welche Stellung Frauen in der Wikinger-Gesellschaft einnehmen konnten.
Steinerne Schiffe und 139 Gräber
Jetzt haben Archäologen des Naturhistorischen Museums in Schweden einen weiteren, einst riesigen Wikinger-Friedhof entdeckt – per Zufall. Denn eigentlich suchten sie auf einem Hügelplateau bei Varberg in Südschweden nach Überresten ein Steinzeitsiedlung, die sie an diesem Ort vermuteten. „Doch dann fanden wir fünf Gräber auf Schichten von Feuerresten und menschlichen Knochenfragmenten“, berichtet Grabungsleiterin Petra Nordin. „Uns wurde klar, dass wir hier ein riesiges Gräberfeld der Wikinger entdeckt hatten.“
Nach Schätzungen der Archäologen umfasst dieser Wikinger-Friedhof mindestens 139 Gräber, außerdem drei größere Grabanlagen mit in Schiffsform angeordneten Steinen sowie einen Grabhügel in Schiffsform. „Einen dieser Funde interpretieren wir als 50 Meter lange Steinanlage in Schiffsform, die direkt auf dem Hügelgrat lag“, berichtet Nordin. „Wir haben aber erst rund sechs Prozent des gesamten Gräberfeldes ausgegraben.“ Das Team vermutet, dass ein Großteil der des Wikinger-Friedhofs heute von modernen Bauten einer nahen Siedlung überdeckt ist.
Arabische Münze und Scheiterhaufen
Zu den Funden gehören neben den Gräbern zahlreiche metallene Schmuckstücke und Alltagsobjekte, darunter auch goldene und vergoldete Gewandspangen und Gürtelschnallen sowie Keramikgefäße. In einem Grab entdeckten die Archäologen eine arabische Silbermünze – Zeugnis der weitreichenden Handelsbeziehungen der Wikinger. Die Münze stammt aus der Zeit zwischen 795 und 806, was laut den Forschenden gut zu den ältesten Gräbern des Wikinger-Friedhofs passt.
Ebenfalls Teil des Wikinger-Gräberfelds waren Reste von Scheiterhaufen, auf denen einst die Leichen der Gestorbenen verbrannt wurden. Diese Form der Feuerbestattung war bei den Wikingern weit verbreitet. „An einer Stelle sehen wir die Gruben, in denen die Menschen einst die Scheiterhaufen für die Feuerbestattung errichteten, an einer anderen Stelle existiert sogar ein ummauertes eckiges Becken mit drei großen Feuergruben darin“, berichtet Nordin.
Hunde als Begleiter ins Jenseits
Die in den Gräbern und Feuerresten gefundenen Knochenfragmente verraten auch, dass die Wikinger nicht allein ins Jenseits geschickt wurden: Sie wurden oft gemeinsam mit ihren Hunden bestattet: „Der Hund war ein enger Begleiter und folgte der Person bis ins Totenreich“, erklärt Nordin. Dafür wurden die treuen Vierbeiner getötet und ihre Kadaver ebenfalls auf eigenen kleinen Scheiterhaufen im gleichen Grab verbrannt.
Den Toten wurden zudem Tieropfer, vielleicht auch als eine Art Reiseproviant mit ins Grab gegeben: „Nachdem die Toten verbrannt waren, platzierte man tote, nicht verbrannte Tiere auf den Überresten, bevor das Grab dann geschlossen wurde“, erklärt Nordin. „Wahrscheinlich handelte es sich um eine Art Tieropfer. Am häufigsten haben wir Knochen von Nutztieren wie Rindern gefunden.“ Eiserne Pfeilspitzen zeugen davon, dass die toten Wikinger vermutlich auch ihre Waffen trugen.
Allerdings sind die meisten Gräber stark beschädigt und größere Fundstücke oft zerstört. „Das Problem ist, dass das Land seither intensiv gepflügt und für Felder eingeebnet wurde“, sagt Nordin. „Dadurch sind alle Schichten, frühere oberirdische Relikte sowie Gräber buchstäblich in Stücke gepflügt.“
Wo lag die dazugehörende Wikinger-Siedlung?
Das riesige Gräberfeld gibt jedoch auch ein großes Rätsel auf: Wo lebten all die Menschen, die dort einst bestattet wurden? Bisher haben die Archäologen noch keine größere Siedlung im Umfeld dieses Wikinger-Friedhofs gefunden. „Es gab zwar Vermutungen, dass es einst einen Wikinger-Handelsplatz in Gamla Köpstad südlich der heutigen Stadt Varberg gab oder auch in der Nähe des Galtabäck-Hafens“, sagt Nordin. „Aber ob das der Fall war, wissen wir schlicht nicht. Auch nicht, ob die Siedlung eher an der Mündung des nahen Tvååker-Flusses lag oder näher an dem Gräberfeld.“
Klar ist allerdings, dass zumindest der Wikinger-Friedhof an einem strategisch günstigen Ort lag: Das Gräberfeld befindet sich auf einem flachen Hügelrücken zwischen zwei wichtigen Transportrouten der damaligen Zeit: dem bei Galtabäck ins Meer mündenden Tvååker-Fluss und einer alten Hauptstraße, auf der früher unter anderem Eisen aus dem Inland zur Küste gebracht wurde. Wo in diesem Umfeld die zum Gräberfeld gehörende Wikinger-Siedlung einst lag, müssen nun weitere Forschungen zeigen. „Wir sind gespannt, was dabei noch zutage tritt“, so Nordin.
Quelle: Arkeologerna/ National Historical Museums