Archäologie

Skythen machten Menschenhaut zu Leder

Archäologen weisen Menschenhaut an Pfeilköchern der antiken Reiterkrieger nach

Skythenkrieger
Dieser skythische Goldkamm aus dem dritten Jahrhundert zeigt zwei Skythenkrieger (rechts) im Kampf gegen einen Römer. Gut sind die verzierten Pfeilköcher an ihren Gürteln zu erkennen. © Levan Ramishvili/ gemeinfrei

Gruseliger Fund: Die Reiterkrieger der Skythen verarbeiteten offenbar auch Menschenhaut zu Leder – und schmückten damit ihre Pfeilköcher, wie Analysen jetzt erstmals enthüllen. Demnach bestanden die Deckel von mindestens zwei rund 2.400 Jahre alten Lederköchern aus Skythengräbern in der Südukraine aus menschlicher Haut. Ob die Skythen die Haut getöteter Feinde als Trophäe nutzten oder aus spirituellen Gründen, ist jedoch unbekannt. Auch wie oft dies vorkam, ist noch ungeklärt.

Die Skythen waren ein nomadisches Reitervolk, das von 800 vor bis rund 300 nach Christus die eurasische Steppe vom Schwarzen Meer bis in die Mongolei dominierten. Dennoch ist über diese Kultur nur wenig bekannt. Die meisten Informationen stammen aus den reich mit Goldschmuck und anderen Grabbeigaben versehenen Grabhügeln der Skythen, sogenannten Kurganen. Eher subjektive Informationen über die gefürchteten Reiterkrieger aus dem Osten liefern zudem die Aufzeichnungen griechischer Geschichtsschreiber.

Skythe
Abbild eines Skythenkriegers mit Bogen und ledernem Pfeilköcher auf einer griechischen Vase. © historisch

„Doch über das skythische Alltagsleben und ihre Ökonomie abseits der spektakulären Goldobjekte aus den Fürstengräbern ist bisher kaum etwas bekannt“, erklären Luise Ørsted Brandt von der Universität Kopenhagen und ihre Kollegen. Dies gelte vor allem für die Materialien, die den skythischen Alltag prägten, wie Holz, Knochen, Textilien und Leder.

Woher stammte das Leder für die skythischen Pfeilköcher?

„Vor allem Lederobjekte sind ein vernachlässigter Forschungsbereich, weil sie meist stark degradiert, fragmentiert und wenig fotogen sind“, so die Archäologen. Doch Leder spielte für die Reiternomaden eine wichtige Rolle. Sie nutzten es für Zaumzeug, Sättel, Schuhe, Hosen und als Behälter für ihre wichtigsten Waffen: als Köcher für ihre Pfeile. „Skythische Krieger sind fast immer mit einem Köcher am Gürtel abgebildet und fast jedes Skythengrab enthält einen ganzen Köchersatz aus Leder, obwohl davon oft nur die metallenen Pfeilspitzen überdauert haben“, berichten Brandt und ihr Team.

Um herauszufinden, woraus das Leder für die skythischen Pfeilköcher gefertigt war, untersuchten die Forschenden 45 Lederproben von Köchern aus 18 rund 2.400 Jahre alten Skythengräbern in der Südukraine. Zur Identifizierung der zu Leder verarbeiteten Häute ihrer Ursprungs-Tierart, analysierten sie die Lederproben mithilfe einer speziellen Massenspektrometrie-Methode auf den chemischen „Fingerabdruck“ bestimmter Peptide hin.

Köcherproben
Herkunft der Proben aus den skythischen Pfeilköchern. Die rot umrandeten Lederproben sind aus Menschenhaut. © M. Daragan/ PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0294129; CC-by 4.0

Schafe, Ziegen – und Menschenhaut

Die Analysen enthüllten Überraschendes: Zwar war ein Großteil der Skythen-Köcher aus den Häuten von Schafen und Ziegen gefertigt – den Tieren, die die Reiternomaden als Nutztiere hielten. Doch bei zwei Lederproben wiesen Brandt und ihr Team menschliche Peptide nach. „Die Proteine der Proben 7 und 21 deuten auf menschlichen Ursprung hin“, berichten sie. Dies bedeutet, dass mindestens zwei Pfeilköcher aus Skythengräbern an zwei verschiedenen Orten aus menschlicher Haut gefertigt wurden.

„Damit scheinen unsere Ergebnisse die gruseligen Behauptungen des griechischen Geschichtsschreibers Herodot zu bestätigen“, so die Archäologen. „Seine Aufzeichnungen enthalten Erzählungen von Skythen, die das Blut ihrer Feinde trinken, menschliche Skalpe als Trophäen sammeln und ihre toten Feinde häuten, um deren Haut zu Köcherhüllen zu verarbeiten.“ Konkret schrieb Herodot: „Viele Skythen entfernen ihren toten Feinden die Haut ihrer rechten Hand, mitsamt Nägeln und allem, und machen daraus Hüllen für ihre Köcher“, so der Geschichtsschreiber.

Trophäe oder magische Unterstützung im Kampf?

Die aktuellen Ergebnisse enthüllen nun, dass Herodot mit seinen blutrünstigen Schilderungen – lange als verleumdende Schauermärchen abgetan – offenbar zumindest in Teilen richtig lag. Zwar verarbeiten die Skythen primär die Häute ihrer Nutztiere, aber in einigen Fällen scheuten sie offenbar nicht davor zurück, auch Menschenhaut zu verwenden. Dies galt insbesondere für die im Kampf so wichtigen Pfeilköcher der Elitekrieger und Skythenfürsten, wie die Grabfunde belegen.

Aber warum? Nach Ansicht von Brandt und ihre Kollegen könnte es sich bei den Menschenhaut-Köcherhüllen um eine Art Trophäe handeln – ein Zeugnis der im Kampf getöteten Feinde. Denkbar wäre aber auch, dass diese gruselige Praxis einen spirituellen Hintergrund hatte: Möglicherweise sollten Kraft und Mut der getöteten Feinde auf den Träger der Köcher übergehen oder auch den Skythenkrieger in künftigen Kämpfen beschützen.

Doch wie oft die Skythen menschliche Haut zu Leder verarbeiteten und welche Motivation wirklich dahinterstand, ist bisher unklar. Möglicherweise können weitere Analysen von Lederproben darüber künftig mehr Aufschluss geben. (PLoS ONE, 2023; doi: 10.1371/journal.pone.0294129)

Quelle: PLoS ONE

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