Spektakulärer Fund: Im Süden Spaniens haben Archäologen eine der größten prähistorischen Megalithanlagen Europas entdeckt. Sie besteht aus 526 aufrechtstehenden Menhiren, außerdem Dolmen, kistenartigen Grabsteinen und bearbeiteten Felsformationen aus der Zeit ab etwa 5000 vor Christus. Die nahe der Mündung des Guadiana-Fluss errichtete Anlage ist einzigartig in ihrer Kombination von menschengemachten und natürlichen Formationen, wie die Forschenden berichten.
Ob Stonehenge, Karnak oder Ganggräber wie in Newgrange: In der Zeit vor 6.500 bis 4.500 Jahren errichteten unsere Vorfahren im Westen Europas zahlreiche monumentale Steinkreise, Grabanlagen und weitere Megalith-Heiligtümer. Einige waren sie nach astronomischen Markern wie den Sonnenwenden oder bestimmten Sternbildern ausgerichtet, andere dienten als Gräber. Wegen der großen Ähnlichkeit ihrer Bauwerke vermuten einige Archäologen, dass sich diese Megalithkultur durch steinzeitliche Seefahrer entlang der Küsten Westeuropas verbreitete.
Menhire, Dolmen, Kistengräber und mehr
Eine weitere Großanlage aus der Megalith-Ära haben nun Archäologen um José Antonio Linares-Catela von der Universität Huelva im Süden Spaniens entdeckt. Sie hatten ein rund 600 Hektar großes, unebenes Gelände nahe der Mündung des Flusses Guadiana untersucht, das in eine Avocado-Plantage umgewandelt werden sollte. Doch schon bei ersten Erkundungsgängen stießen die Forschenden auf zahlreiche aufrechtstehende, ein bis drei Meter hohe Menhire prähistorischen Ursprungs.
Insgesamt haben die Archäologen in der La Torre-La Janera getauften Fundstätte 526 aufrechtstehende Menhire und mehr als 400 steinerne Stützstrukturen entdeckt. „Diese Zahl macht die Anlage zum Ort mit der höchsten Menhir-Dichte im iberischen Südwesten“, schreiben Linares-Catela und seine Kollegen. Dazu kommen zahlreiche einzeln und in Gruppen stehende Dolmen – Großsteingräber aus aufrechten Tragsteinen mit einer oder mehreren Deckplatten.
In den natürlichen Felsformationen des Gebiets liegen außerdem 41 kistenartige Steingräber. Diese bis zu 2,50 Meter langen, aus dem Fels gehauenen Vertiefungen sind an beiden Enden durch senkrechte Platten begrenzt, teilweise finden sich auch Reste seitlicher Platten, wie das Team berichtet.
Enorme Vielfalt spiegelt lange Nutzung wider
Nach Angaben der Archäologen könnte es bei La Torre-La Janera damit um eine der größten und diversesten Megalithanlagen Europas handeln. Denn neben der großen Zahl der Steinbauten sei vor allem ihre Vielfalt erstaunlich. So stehen die Steine und Dolmen teils einzeln, teils in Gruppen, die Dolmen selbst sind von unterschiedlicher Größe und Bauart und auch die Stützstrukturen, die Verankerung der Steine im Boden und begleitende Becken und Gruben haben verschiedenen Größen und Formen.
Die große Vielfalt der verschiedenen Megalith-Bauten und Ausführungen deutet darauf hin, dass diese Anlage über einen längeren Zeitraum hinweg genutzt und errichtet wurde: „Die große Spannbreite der Monumente in La Torre-La Janera ist das Ergebnis von längeren architektonischen Bauphasen, Veränderungen und einer Langzeitnutzung“, so das Team. „Hier koexistierten Monumente mit unterschiedlichen Funktionen und technischen Traditionen miteinander.“
Besondere Beziehung zum Meer und zur Natur
Aus Machart und Datierungen schließen die Archäologen, dass die Megalithanlage im 6. bis 5. Jahrtausend vor Christus errichtet wurde. Weil zu dieser Zeit die Meeresspiegel rund zwei Meter höher lagen als heute, könnte dieses Gebiet damals direkt an der Mündung des Guadiana-Flusses ins Meer gelegen haben. Die monumentalen Elemente der Anlage stehen in besonders Beziehung zum Guadiana-Fluss und dem Meer, von einigen Strukturen aus sind die Mündung und der Atlantik gut zu sehen“, erklären die Forschenden.
Besonders auch: Die einzelnen Gräber und Steinbauwerke dieser Anlage sind auf unterschiedlichen Höhenebenen des Geländes angeordnet und orientieren sich oft an natürlichen Felsformationen. „Diese Fusion zwischen dem natürlichen und menschengemachten gibt La Torre-La Janera einen ganz eigenen, einzigartigen Charakter“, schreiben Linares-Catela und seine Kollegen. „Die neolithischen Menhire könnten von den Felsformationen inspiriert sein.“
Grabstätte, Datumsmarker und Ritualort zugleich
Die Archäologen vermuten, dass die Bauwerke nicht nur als Gräber dienten, sondern auch zu rituellen Zwecken und Zeremonien genutzt wurden. Aus der Ausrichtung einiger Monumente schließen sie, dass einige Menhire möglicherweise auch als Anzeiger für die Jahreszeiten und Marker für astronomische Ereignisse dienten. „Sie ragen an prominenter Stelle auf und boten einen weiten Blick über die Landschaft und auf den Himmel und Horizont“, erklärt das Team.
„Diese Entdeckung stützt die Interpretation, dass der atlantische Megalithismus Ausdruck eines der ältesten menschlichen Versuche ist, seine Umgebung zu transformieren und ihm einen menschlichen Stempel aufzudrücken“, erklären die Archäologen. „Insgesamt erweitert diese Anlage unseren Wissenshorizont über die Megalithkultur Westeuropas.“ (Trabajos de Prehistoria, 2022; doi: 10.3989/tp.2022.12290)
Quelle: Trabajos de Prehistoria