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Archäologie

Stonehenge: Herkunft des Altarsteins enträtselt

Der zentrale Megalith des Steinkreises stammt aus dem gut 750 Kilometer entfernten Norden Schottlands

Stonehenge
Der Steinkreis von Stonehenge ist weltberühmt. Doch woher der Altarstein des Megalith-Heiligtums stammt, war bisher unklar. © Mark Devereux/ iStock

Überraschende Entdeckung: Der Altarstein von Stonehenge ist weit gereist, denn er stammt aus dem Norden Schottlands – mehr als 750 Kilometer vom berühmten Steinkreis in Südengland entfernt. Das enthüllen neue Analysen des sechs Tonnen schweren Sandsteins, der einst das Zentrum des Megalith-Heiligtums bildete. Er hat demnach eine andere Herkunft als alle anderen Megalithen der Anlage, wie die Forschenden in „Nature“ berichten. Doch wie schafften es die Stonehenge-Erbauer, den Altarstein so weit zu transportieren?

Der Megalith-Steinkreis von Stonehenge im Südwesten Englands ist eines der berühmtesten prähistorischen Bauwerke weltweit – und eines der rätselhaftesten. Denn viele Fragen zum Bau, der Funktion und der einstigen Bedeutung dieses bis zu 5.000 Jahre alten Megalith-Heiligtums sind noch offen. So sind die großen Sarsensteine der torähnlichen Trilithen von Stonehenge zwar lokalen Ursprungs, die einst rund 80 Blausteine wurden aber aus dem rund 250 Kilometer entfernten Wales herbeigeschafft – wie und warum, ist strittig.

Stonehenge-Plan
Der Altarstein (grün) bildete einst das Zentrum der Megalith-Anlage von Stonehenge. © Clarke et al./ Nature, CC-by 4.0

Woher kam der Altarstein von Stonehenge?

Eine weitere Überraschung liefern nun Analysen des Altarsteins von Stonehenge. Dieser fünf Meter lange und rund einen Meter breite Block aus Sandstein mit grünlichen Einsprengseln liegt heute umgekippt im Zentrum der Anlage. Ob er einst aufrecht stand, ist unbekannt. „Auch wann der Altarstein in Stonehenge ankam, ist offen“, erklären Anthony Clarke von der Curtin University in Australien und seine Kollegen. Archäologen vermuten aber, das er zeitgleich mit den Trilithen während der zweiten Bauphase vor 4.620 bis 4.480 Jahren dort aufgestellt wurde.

Offenkundig ist dagegen, dass der Altarstein auch geologisch eine Besonderheit unter den Meglalithen von Stonehenge darstellt: Seine Zusammensetzung unterscheidet ihn sowohl von den restlichen Blausteinen als auch von den Sarsensteinen der Trilithen. Dennoch gingen Archäologen bisher davon aus, dass auch dieser sechs Tonnen schwere Megalith walisischen Ursprungs sein muss – aus Mangel an genaueren Erkenntnissen.

Relikt des Urkontinents Laurentia

Doch das erweist sich nun als Irrtum, wie Anthony Clarke von der Curtin University in Australien und seine Kollegen ermittelt haben. Sie haben den Altarstein von Stonehenge einer eingehenden mineralogischen und isotopischen Analyse unterzogen, um endlich seine Herkunft zu klären. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung standen winzige Körnchen aus den Mineralen Zirkon, Rutil und Apatit, deren Alter und Isotopen-Zusammensetzung Hinweise auf die Ursprung und Entstehungszeit dieses Sandsteins liefern können.

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Altarstein
Der Altarstein von Stonehenge liegt heute quer unter zwei größeren Sarsensteinen und ist kaum noch zu sehen. © Nick Pearce/ Aberystwyth University

Die Analysen ergaben Überraschendes, denn sie deuten auf einen uralten und definitiv nicht lokalen Ursprung des Altarsteines hin. „Unsere Analysen ergaben, dass einige Mineralkörner des Steins zwischen einer und zwei Milliarden Jahre alt sind“, berichtet Clarke. Dieses hohe Alter kombiniert mit der Mineralzusammensetzung legt nahe, dass die ältesten Teile dieses Sandsteins schon im Präkambrium gebildet wurden – auf dem Gebiet des Urkontinents Laurentia. Dessen Reste bilden heute Schottland, den nördlichsten Teil Großbritanniens.

Herkunft in Schottland

„Dieses Resultat ist wirklich bemerkenswert – es widerlegt die seit einem Jahrhundert bestehenden Annahmen“, sagt Koautor Richard Bevins von der Aberystwyth University in Wales. Denn die Mischung aus den präkambrischen Körnchen vermischt mit jüngeren Mineralen aus dem Ordovizium passt weder zur Geologie rund um Stonehenge, noch zu den Gesteinsformationen in Wales. Stattdessen findet sich diese Mineralkombination nur in einer Region Großbritanniens – im Nordosten Schottlands.

„Die Daten liefern uns einen klaren chemischen Fingerabdruck – und dieser legt nahe, dass der Altarstein aus Gesteinsformationen im orkadischen Becken in Schottland stammt“, berichtet Clarke. „Damit haben wir Alter und chemischen Fingerabdruck eines der berühmtesten Steine dieses weltweit bekannten Steinzeit-Monuments entschlüsselt“, ergänzt Bevins.

Wie kam der Stein nach Stonehenge?

Doch die schottische Herkunft des Altarsteins wirft einige Fragen auf: „Dieser Stein ist über 750 Kilometer weit gereist. Das ist die längste dokumentierte Reise eines in einem Monument dieser Zeit verbauten Steins“, sagt Koautor Nick Pearce von der Aberystwyth University. Wie aber schafften es die steinzeitlichen Erbauer von Stonehenge, diesen tonnenschweren Megalithen von so weit her nach Südengland zu bringen?

Ein Transport über Land wäre mit einem so schweren Stein damals nahezu unmöglich gewesen: „Selbst unter Einsatz von Lasttieren hätten Flüsse und topografische Barrieren wie die Grampian Mountains, die südlichen Hochländer und die Penninen, aber auch die dicht bewaldete Landschaft des prähistorischen Großbritanniens, gewaltige Hindernisse beim Überlandtransport des Megalithen dargestellt“, erklären Clarke und seine Kollegen.

Per Floß transportiert?

Die Archäologen vermuten daher, dass der Altarstein auf dem Seeweg transportiert wurde – erst auf dem Meer entlang der Ostküste Großbritanniens, dann über die Themse und andere Flüsse bis in die Nähe von Stonehenge. Dazu passt, dass auch die Megalithkultur der Stonehenge-Erbauer neueren Studien zufolge wahrscheinlich auf steinzeitliche Seefahrer zurückgeht, die sich und ihre Kultur entlang der Küsten Europas ausbreiteten.

Damit gibt der weitgereiste Altarstein von Stonehenge auch neue Einblicke in die weitreichenden Verbindungen der Megalithkultur. „Er legt nahe, dass es damals Fernhandels-Netzwerke und ein höheres Niveau der gesellschaftlichen Organisation gab, als man bisher für die neolithische Periode in Großbritannien angenommen hat“, sagt Koautor Christopher Kirkland von der Curtin University. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07652-1)

Quelle: Nature, Aberystwyth University, Curtin University

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