Spannender Wrackfund: In der Trave bei Lübeck haben Archäologen ein knapp 400 Jahre altes Schiffswrack aus der Zeit der Hanse entdeckt – ein für die westliche Ostsee extrem seltener Fund. Zahlreiche Tauchgänge enthüllten, dass es sich bei dem Schiff um einen 20 bis 25 Meter langen Frachtsegler handelte. Dieser hatte 150 Fässer mit Branntkalk an Bord, als er in einer Biegung der Trave sank. Warum das Schiff unterging, ist noch unklar, die Forschenden vermuten aber, dass es auf Grund lief.
Schiffswracks sind wertvolle Zeugen der Vergangenheit, denn unter günstigen Bedingungen können Schiffe und ihr Inhalt Jahrhunderte am Meeresgrund erhalten bleiben. Im Schwarzen Meer haben Archäologen das älteste intakte Schiffswrack der Welt entdeckt – es ist 2.400 Jahre alt. Aber auch in der Ostsee wurden schon viele Wracks entdeckt, darunter ein Schiff aus der Zeit des Kolumbus und ein mittelalterlicher Lastensegler aus dem Jahr 1188.
Zufallsfund am Grund der Trave
Jetzt berichten Archäologen der Universität Kiel von einem weiteren spektakulären Wrackfund in der Trave bei Lübeck. Bereits im Februar 2020 hatten Mitarbeiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts dort bei einer Routine-Untersuchung der Fahrrinne eine Anomalie in der Fächerlotpeilung festgestellt. Die Sonardaten deuteten auf eine Erhebung am Grund hin. Um eine mögliche Gefahr für die Schifffahrt auszuschließen, kontrollierten Taucher im August 2021 die Stelle.
Sie stellten fest, dass am Grund der Trave offenbar Teile eines Schiffswracks lagen. Daraufhin wurden Archäologen der Universität Kiel eingeschaltet, die das in elf Meter Tiefe liegende Wrack ab November 2021 gemeinsam mit Forschungstauchern genauer untersuchten. Die bei 13 Tauchgängen gesammelten Proben und Daten lieferten den Archäologen dann die Grundlage für eine Einschätzung des Funds und ein erstes umfangreiches Gutachten.
Ein Frachtsegler aus der Zeit der Hanse
Das Ergebnis: Bei dem Wrack handelt es sich um ein Schiff aus der Hansezeit. „Die unabhängige Altersbestimmung der Schiffshölzer in drei verschiedenen Laboren ergab, dass das Schiff in der Mitte des 17. Jahrhunderts gebaut sein worden muss“, sagt Fritz Jürgens vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel. „Auf einen solchen Fund hofft man immer und plötzlich liegt er vor einem. Das ist wirklich einmalig – auch für mich persönlich.“
Anders als einige Wracks in der Ostsee ist das gut 350 Jahre alte Schiff allerdings nicht mehr intakt. Am Flussgrund zu erkennen sind vor allem die dicht mit Muscheln überzogene Holzbalken. Auf Grundlage der Fotos und Videos erstellten die Archäologen daher 3D-Modelle des Wracks, mit deren Hilfe sie Form und Größe des Schiffs rekonstruieren konnten. Demnach handelte es sich um einen 20 bis 25 Meter langen Frachtsegler.
„Für den westlichen Ostseeraum ist dieser Fund außergewöhnlich“, sagt Jürgens. Denn solche Frachtsegler waren zwar die „Arbeitspferde“ des Ostseehandels, bisher sind entsprechende Wracks aus unterschiedlichen Jahrhunderten aber nur aus dem östlichen Ostseeraum bekannt.
Fässer mit Branntkalk an Bord
Auch die Ladung des alten Frachtseglers konnten die Archäologen bestimmen: Aus Resten von Fässern und ihrem Inhalt ermittelten sie, dass das Schiff einst Branntkalk transportierte, ein begehrtes Baumaterial in der damaligen Zeit. „Schon im Mittelalter und in der frühen Neuzeit hat man Kalkstein abgebaut, gebrannt und abgelöscht. Daraus wurde Mörtel hergestellt“, erklärt Jürgens.
Die Archäologen vermuten, dass der Frachter aus Skandinavien kam und auf dem Weg nach Lübeck war, wo er allerdings nie ankam. Warum das Schiff aus der Zeit der Hanse sank, müssen nun weitere Untersuchungen zeigen. Erste Hinweise deuten aber darauf hin, dass das Schiff an einer Biegung der Trave auf Grund gelaufen sein könnte, dort stark beschädigt wurde und deshalb sank.
Schutz des Wracks dringend nötig
Während die Untersuchungen zu Herkunft, Ladung und Untergang des Schiffs noch laufen, ist auch bei seinem Wrack Handeln nötig. Denn bei den Tauchgängen zeigte sich, dass das Wrack massiv durch Erosion gefährdet ist und freiliegende Teile von der Schiffsbohrmuschel befallen sind. Ohne Schutzmaßnahmen würde das Wrack deshalb innerhalb weniger Jahre zerstört. Dieses Zeugnis des Seehandels der Hansestadt Lübeck wäre damit für immer verloren.
Um das zu verhindern, arbeitet das Forschungsteam der Universität Kiel zusammen mit der Stadt Lübeck und weiteren Institutionen an einem Konzept für den Schutz des Wracks. Sie überlegen, es zu bergen und anschließend zu konservieren.
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel