Archäologie

Wie die Himmelsscheibe geschmiedet wurde

Analysen legen aufwendige Abfolge des Erhitzens und Schmiedens der Himmelsscheibe von Nebra nahe

Himmelsscheibe von Nebra
Die Himmelsscheibe von Nebra ist die älteste konkrete Himmelsdarstellung der Menschheit. Doch wie erhielt die tellergroße, aber dünne Bronzescheibe ihre Form? © Juraj Lipták/ Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Aufwendige Fertigung: Archäologen haben herausgefunden, wie die berühmte Himmelsscheibe von Nebra ihre Form erhielt. Demnach konnte die 3.600 Jahre alte Bronzescheibe nicht einfach gegossen werden, sondern musste in einem langwierigen Schmiedeprozess in Form gebracht werden. Mehr als zehnmal musste der Rohling dafür auf rund 700 Grad erhitzt und dann in Form gehämmert werden, solange er heiß genug war. Dieser aufwendige Warmschmiedeprozess ist herausragend für die damalige Zeit.

Vor rund 3.600 Jahren fertigten Menschen im bronzezeitlichen Mitteldeutschland ein einzigartiges Kunstwerk an: die Himmelsscheibe von Nebra. Diese rund 30 Zentimeter groß, flache Scheibe aus Bronze ist mit goldenen Applikationen verziert, die Sterne, die Sonne und die Mondsichel darstellen. Sie gilt als die älteste konkrete Himmelsdarstellung der Welt und gehört heute zum UNESCO-Dokumentenerbe. Gleichzeitig ist sie eines der am intensivsten untersuchten archäologischen Objekte überhaupt. Dennoch gibt die Himmelsscheibe von Nebra noch immer einige Rätsel auf.

Schmied beim Hämmern
Der erfahrene Kupferschmied Herbert Bauer beim Aushämmern einer Kopie der Himmelsscheibe von Nebra. © Juraj Lipták/ Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Gießen alleine reicht nicht

So blieb bisher ungeklärt, wie die tellergroße, aber nur wenige Millimeter dünne Bronzescheibe hergestellt wurde. „Es kann ausgeschlossen werden, dass die Scheibe ein reines Gussprodukt war“, erklären Projektleiter Harald Meller vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt und sein Team. Denn der geringe Zinn- und Arsengehalt der Bronze machte das Metall selbst im geschmolzenen Zustand zähflüssig. Es ließ sich daher nicht dünn genug ausgießen.

Um herauszufinden, wie die Himmelsscheibe ihre endgültige Form erhielt, haben Meller, Erstautor Sebastian Dieck von DeltaSigma Analytics und ihre Kollegen eine winzige, bereits 2002 entnommene Probe der Bronze noch einmal mit modernsten metallurgischen Analysemethoden untersucht. Mithilfe von Röntgenspektroskopie und Elektronenstreuung machten sie die Mikrostruktur des Metalls sichtbar und gewannen so Aufschluss über die thermische und mechanische Bearbeitung der Bronze.

Parallel dazu ließen die Forscher Kopien der Bronzescheibe von einem erfahrenen Kupferschmied herstellen. Dieser bearbeitete die Gußrohlinge mit verschiedenen Schmiedetechniken, die resultierenden Repliken wurden ebenfalls einer Mikrostrukturanalyse unterzogen.

Erhitzen und Hämmern im Wechsel

Schon die ersten Tests bestätigten: Die Himmelsscheibe ist zu groß und dünn, um den Bronzerohling nach dem Gießen durch einfaches Kaltschmieden in Form zu hämmern. Versucht man, die Bronze durch einfaches Hämmern flacher und größer zu machen, wird sie schnell brüchig und reißt, wie die Versuche ergaben. Auch die Mikrostruktur der Bronzeprobe von der Originalscheibe spricht gegen ein solches Vorgehen.

„Die für Scheibe nötige starke Verformung des Gussrohlings lässt sich nur durch einen Wechsel von Schmieden und Erhitzen erreichen“, konstatieren Meller und sein Team. Bei diesem Warmschmieden wird die Bronze bis auf 700 Grad erhitzt, um sie weich und verformbar zu machen. Dann nutzt der Schmied einen Hammer, um das glühend heiße Metall von innen spiralig nach außen hämmernd immer flacher und breiter zu schlagen.

Mikrostruktur-Vergleich
Vergleich der Mikrostrukturen von Replik und Original. Stadium 2 nach zehn Zyklen des Warmschmiedes ist dem Original am ähnlichsten. © Name /CC-by 4.0

Zehn Zyklen des Warmschmiedens nötig

Doch um die Himmelsscheibe in ihre Form zu bringen, reichte ein einmaliges Warmschmieden nicht aus: Weil die Bronze schnell auskühlt, musste der Wechsel von Erhitzen und Schmieden mehrfach wiederholt werden. Dies spiegelt sich auch in der Mikrostruktur der Himmelsscheibe wider: Die mittelgroßen, zufällig angeordneten Körner in der Metalllegierung und die relativ homogene Verteilung des Zinns zeugen von mehrmaligem Glühen, wie Meller und sein Team berichten.

Konkret ermittelten die Archäologen, dass der Bronzezeit-Schmied zehn Warmschmiede-Zyklen benötigte, um die Himmelsscheibe von Nebra anzufertigen. Nachdem die Bronzescheibe dann die gewünschte Form und Größe erreicht hatte, brachte er sie ein letztes Mal zum Glühen. Dies baute Spannungen im Metall ab und machte die Scheibe weniger spröde und anfällig für Risse. In der Mikrostruktur zeigt sich dies in zahlreichen miteinander verschmolzenen Körnern wie das Team erklärt.

Himmelsscheibe ist auch in ihrer Herstellung einzigartig

„Damit können wir nun erstmals nachvollziehen, wie die Bronzescheibe entstand“, schreiben die Forscher. Gleichzeitig enthüllten ihre Ergebnisse, wie gut die Schmiede schon in der frühen Bronzezeit ihr Handwerk beherrschten. „Die Herstellung der Himmelsscheibe war in keiner Weise trivial“, so Meller und seine Kollegen. Zwar habe man damals schon Äxte und Bronzeschmuck durch Schmieden hergestellt, aber die Himmelsscheibe sei in Form, Größe und Volumen einzigartig.

„Die Himmelsscheibe von Nebra ist ein außergewöhnliches Relikt der frühen Bronzezeit und ein beeindruckendes Beispiel für das fundierte Wissen, über das die damalige Únetice-Kultur verfügte“, konstatieren die Archäologen. „Zudem ist die Himmelsscheibe damit ein eindrücklicher Beleg dafür, wie wichtig es für den Erkenntnisfortschritt ist, auch bekannte und vermeintlich ausgeforschte Funde einer erneuten Untersuchung zu unterziehen, wenn neue Methoden zur Verfügung stehen“, so Meller. (Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-80545-5)

Quelle: Scientific Reports, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte

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