Steinzeit-Schmuck aus Adlerkrallen: Die Neandertaler stellten möglicherweise bereits vor 130.000 Jahren Schmuck her. An mehreren Seeadlerkrallen haben Wissenschaftler entsprechende Bearbeitungsspuren entdeckt. Symbolische Handlungen wie das Tragen von Schmuck können die Neandertaler demnach unmöglich von unseren Vorfahren erlernt haben, denn die tauchten erst 80.000 Jahre später in Europa auf, wie die Forscher im Magazin „PLOS ONE“ erläutern.“
Die vor rund 35.000 Jahren ausgestorbenen Neandertaler galten lange Zeit als zu primitiv, um zu abstraktem Denken und symbolischen Handlungen fähig zu sein. Kunst und Schmuck wären diesen Steinzeitmenschen demnach fremd gewesen. Erst als vor etwa 40.000 Jahren der moderne Mensch nach Europa einwanderte, hätten die Neandertaler im Kontakt mit unseren Vorfahren solche kulturellen Handlungen nachgeahmt und erlernt.
Anzeichen für fortgeschrittene Kultur
In letzter Zeit häufen sich jedoch die Anzeichen, dass die Neandertaler auch selbst schon eine fortgeschrittene Kultur unterhielten: Sie bestatteten ihre Toten, fertigten Höhlenmalereien und Felsgravuren an. Schmuck in Form von Muschelketten stellten sie bereits rund 10.000 Jahre vor der Ankunft des modernen Menschen her.
Die Entdeckung von Wissenschaftlern um David Frayer von der University of Kansas könnte nun den Beginn der kulturellen Errungenschaften der Neandertaler noch deutlich weiter zurückdatieren: Spuren an etwa 130.000 Jahre alten Seeadler-Krallen deuten darauf hin, dass die Krallen zu Schmuck verarbeitet wurden.
80.000 vor dem modernen Menschen
Die insgesamt acht Krallen stammen aus der Neandertaler-Fundstelle Krapina im heutigen Kroatien. Forscher fanden sie dort bereits vor über 100 Jahren, doch die typischen Bearbeitungsspuren fielen Frayer und Kollegen erst jetzt auf. „Das ist wirklich eine überwältigende Entdeckung“, sagt Frayer. Denn dieser Schmuck wäre rund 80.000 Jahre vor der Ankunft der ersten modernen Menschen entstanden. „Das ist so überraschend, weil es einfach keine vergleichbaren Schmuckfunde bis in die jüngere Zeit gibt“, betont Frayer.
Die acht fast vollständig erhaltenen Krallen haben polierte oder abgeriebene Flächen. Vier der Krallen versahen die steinzeitlichen Schmuckhersteller mit geglätten Einschnitten. Drei der größten Stücke zeigen kleine Kerben an ähnlichen Positionen. Die Forscher vermuten anhand dieser Spuren, dass die Krapina-Neandertaler die Krallen des Seeadlers zu einer Kette oder einem Armband zusammengefasst hatten. (PLOS ONE, 2015; doi: 10.1371/journal.pone.0119802)
(PLOS ONE, 12.03.2015 – AKR)