Biologie

70 Prozent weniger Haie und Rochen in den Ozeanen

Insbesondere die Fischerei gefährdet die großen Räuber der Meere

Teufelsrochen
Die Bestände des Teufelsrochens sind stark zurückgegangen - so wie die der meisten Haie und Rochen. © Moesmand/ CC-by-sa 4.0

Alarmierender Schwund: Die Zahl der ozeanischen Haie und Rochen ist seit 1970 weltweit um rund 70 Prozent zurückgegangen, wie Schätzungen nun ergeben haben. Durch diesen drastischen Schwund sind heute mehr als drei Viertel dieser Meeresräuber gefährdet, viele Spezies sogar vom Aussterben bedroht. Die Hauptursache für den Rückgang sei eine 18-fache Zunahme des relativen Befischungsdrucks, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Durch die Fischerei, aber auch die Verschmutzung, Erwärmung und Versauerung der Ozeane gehen die Bestände vieler Meeresorganismen zurück. Dadurch gelten heute beispielsweise in Nord- und Ostsee viele Fischarten und wirbellose Spezies als bedroht und auch Wale und Delfine weltweit sind davon betroffen. Bei vielen Hai- und Rochenpopulationen im Ozean und in Küstennähe verzeichnen Forscher ebenfalls einen Rückgang, darunter im Golf von Mexiko, im Atlantik und vor Südafrika.

Globale Bestandsaufnahme der Haien und Rochen

Wie groß der globale Rückgang von Haien und Rochen im offenen Meer ist, haben nun Wissenschaftler um Nathan Pacoureau von der Simon Fraser University in Kanada untersucht. Dafür ermittelten sie zunächst anhand von Daten der „Species Survival Commission Shark Specialist Group“ der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) die relative Häufigkeit von 18 ozeanischen Hai- und Rochenarten von 1970 bis 2018 und berechneten die jährlichen Veränderungsraten für die Spezies.

Mithilfe des Rote-Liste-Index und zwei weiteren Bewertungen bewerteten die Forscher zudem das Aussterbe-Risiko für 31 Hai- und Rochenarten der Hochsee. Schließlich untersuchten sie, welche Rolle die Überfischung bei den Entwicklungen spielt.

Rückgang um rund 70 Prozent

Das Ergebnis: Die Bestände der ozeanischen Haie und Rochen sind von 1970 bis 2018 weltweit um rund 70 Prozent zurückgegangen. Der zeitliche Verlauf dieser Entwicklung ist dabei jedoch je nach Ozean leicht unterschiedlich: Im Pazifik haben die Populationen bis 1990 stark abgenommen, seither hat sich der Rückgang verlangsamt. Im Atlantik stabilisierten sich die Bestände seit 2000 auf niedrigem Niveau. Noch immer rapide ist der Verlust dagegen im Indischen Ozean, dort sind die Zahlen von Haien und Rochen insgesamt um 84 Prozent zurückgegangen.

Von dem weltweiten Schwund sind nahezu alle Arten betroffen, wie Pacoureau und sein Team berichten. Zu den ersten Spezies, deren Häufigkeit deutlich abnahm, gehörten vor allem langlebige Arten, die spät geschlechtsreif werden. Ebenfalls stark zurückgegangen sind die Teufelsrochen (Mobula): Ihr Bestand im Südwestindischen Ozean ist allein in den letzten 15 Jahren um mindestens 85 Prozent geschrumpft.

Drei Viertel der Arten sind gefährdet

Der starke Rückgang der Populationen erhöht auch das Risiko, das ganze Spezies der Haie und Rochen künftig verschwinden. „Für alle 31 ozeanischen Hai- und Rochenarten ist das Risiko des Aussterbens seit 1980 erheblich gestiegen“, berichten die Forscher. Waren damals neun der untersuchten Spezies bedroht, sind heute drei Viertel gefährdet. Die Wissenschaftler stufen 16 von 31 Haiarten als vom Aussterben bedroht ein – sie stehen damit in der höchsten Gefährdungskategorie der Roten Liste.

Großer Hammerhai
Der Große Hammerhai war einst häufig, jetzt ist er vom Aussterben bedroht © Albert kok /CC-by-sa 4.0

Dies betrifft auch einige einst sehr verbreitete Arten: Die Populationen des Weißspitzenhais (Carcharhinus longimanus), des Kamm- (Sphyrna lewini) und des Großen Hammerhais (Sphyrna mokarran) sind so stark zurückgegangen, dass Pacoureau und seine Kollegen sie heute ebenfalls als vom Aussterben bedroht einstufen.

„Wir dokumentieren damit einen alarmierenden, anhaltenden und weltweiten Rückgang der ozeanischen Haipopulationen im letzten halben Jahrhundert“, konstatieren die Forscher. „Dies resultiert in einer beispiellosen Zunahme des Aussterberisikos für diese Arten.“

Fischerei als Hauptursache

Als Hauptgrund für den Rückgang der Haie und Rochen sehen die Wissenschaftler die Fischerei: „Wir führen die Rückgänge der Populationen und das erhöhte Aussterberisiko der ozeanischen Haie auf die Überfischung zurück“, erklären sie. Denn der Anteil der gefangenen Tiere sei im Verhältnis zu ihrer weltweiten Population seit 1970 um das 18-Fache gestiegen.

Unter anderem hat sich die Fischerei mit Langleinen und Schleppnetzen, mit denen die meisten Haie gefangen werden, im letzten halben Jahrhundert mehr als verdoppelt. „Gleichzeitig sind die Fangraten für ozeanische Haie seit 1970 um das Dreifache gestiegen“, so das Forscherteam. Die Verluste durch die Fischerei können die meisten Hai- und Rochenarten natürlicherweise nicht ausgleichen, da sie nur eine langsame Reproduktionsleistung haben und erst nach Jahren reif genug für die Fortpflanzung sind.

Schutzmaßnahmen können Rückgang umkehren

Da die menschengemachten Einflüsse eine der größten Bedrohungen für die Hai- und Rochenarten sind, plädieren die Forscher dafür, sofortige Maßnahmen zu treffen. „Es ist möglich, den Rückgang der Haipopulationen umzukehren, selbst bei langsam wachsenden Arten, wenn ein vorsorgliches, wissenschaftlich fundiertes Management im gesamten Verbreitungsgebiet der Art umgesetzt wird – bevor die Dezimierung einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt“, resümieren sie.

Konkret fordern sie die Regierungen auf, Fangbeschränkungen und Fischereiverbote einzuführen. Durch solche Schutzmaßnahmen konnten sich in den letzten Jahren bereits die Populationen des Weißen Hais (Carcharodon carcharias) und des Heringshais (Lamna nasus) erholen. (Nature, 2021, doi: 10.1038/s41586-020-03173-9)

Quelle: Simon Fraser University

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