Forscher wissen schon lange, dass ein Großteil der RNA einer Zelle von DNA-Bereichen stammt, die als so genannte Intergenic Spacer (IGS) zwischen zwei Genen liegen und keine Informationen für die Bildung von Eiweißen enthalten. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums haben jetzt herausgefunden, dass diese angeblich nutzlosen kleinen RNA-Moleküle wichtige Zellvorgänge regulieren und unter anderem am Stummschalten von Genen beteiligt sind.
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RNA, neben DNA eine zweite Form der Nukleinsäure, ist ein wichtiger Übermittler der Erbinformation auf dem Weg vom Gen zum Protein. Neben dieser "Boten-" oder mRNA (messenger-RNA) gibt es zahlreiche andere RNA-Arten, die für die Zelle von großer Bedeutung sind.
In ihrer Studie haben die Forscher um Professorin Ingrid Grummt für eine weitere RNA-Form eine neue Funktion aufgedeckt. Bei diesem Fund handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs. "Ungefähr
95 Prozent der zellulären DNA ist nicht-kodierend, enthält also keine Information für die Synthese von Proteinen. Dabei stellen Transkripte dieser nicht-kodierenden Genabschnitte den Hauptregulator für Genaktivität in der Zelle dar und sind wahrscheinlich von größerer Bedeutung als Proteine", erläutert Dr. Christine Mayer vom Deutschen Krebsforschungszentrum.
Der biologische Wert dieser Ergebnisse ist enorm: Erstmals wurde ein Mechanismus aufgedeckt, der zeigt, wie bisher als "Abfall-RNA" vernachlässigte Transkripte in Regulationsvorgänge auf Chromatinebene eingreifen. Die Existenz dieser scheinbar sinnlosen RNA ist schon länger bekannt, die Erkenntnis, dass diese Moleküle aber von essentieller Bedeutung für die Zelle sind, ist neu.
RNA für Regulation der Zelle zuständig
Die lange gültige Theorie, dass wichtige Regulationsprozesse alleine von Proteinen gesteuert werden, so die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Molecular Cell, so nicht mehr aufrechterhalten werden. "Wir können sogar so weit gehen und behaupten, dass Proteine wahrscheinlich nur für die grundlegende Struktur und Funktion der Zelle zuständig sind, deren Regulation jedoch über RNA erfolgt", erläutert Mayer. RNA-Moleküle sind also ein zentraler Bestandteil zellulärer Steuerungsvorgänge und wichtiger als bisher angenommen.
Die Gene, von denen ribosomale RNA abgelesen wird, sind durch nicht-kodierende IGS-Sequenzen getrennt. Die Forscher haben gezeigt, dass diese IGS-Sequenzen transkribiert werden und die Transkripte eine wichtige Rolle bei der Regulation der sie umgebenden Genbereiche spielen. DNA liegt in der Zelle in Form von Chromatin vor. Damit sie abgelesen werden kann, müssen spezielle Chromatin-modifizierende Proteinkomplexe die Erbsubstanz entpacken und für die Transkriptionsmaschinerie zugänglich machen. Umgekehrt sind solche Komplexe in der Lage, die DNA so zu verpacken, dass sie nicht mehr abgelesen werden kann.
RNA schaltet Genaktivität ab
Eine derartige Funktion übt der 'Nukleoläre Remodelling Complex' (NoRC) aus. Der NoRC-Komplex vermag diejenigen DNA-Bereiche abzuschalten, von denen rRNA abgelesen wird. Das Team um Grummt zeigte, dass NoRC die rRNA-Gene nur dann stilllegen kann, wenn eine RNA-Komponente an den Proteinkomplex gebunden ist. Bei dieser mit NoRC assoziierten RNA-Komponente handelt es sich um IGS-Transkripte, also diejenigen RNAs, die von den zwischen den rRNA-Genen liegenden nicht-kodierenden Bereichen abgelesen werden.
Das bedeutet, dass kleine RNA-Moleküle, die früher als "Abfall" ohne weitere Funktion angesehen wurden, in der Lage sind, die Chromatinstruktur der DNA zu verändern und so die Genaktivität des rDNA-Locus abzuschalten.
(idw – Deutsches Krebsforschungszentrum, 09.05.2006 – DLO)