Das Alter des Vaters hinterlässt im Erbgut eines Kindes mehr Spuren als bisher angenommen: Je älter der Mann bei der Zeugung ist, desto mehr Veränderungen – sogenannte Mutationen – finden sich im Erbgut des Kindes. Das hat jetzt ein dänisch-isländisches Forscherteam gezeigt. Pro zusätzlichem Lebensjahr des Vaters kommen demnach im Schnitt zwei Mutationen beim Kind dazu, ergab eine Hochrechnung der Forscher. Der Effekt könnte nach Ansicht der Wissenschaftler für das erhöhte Risiko für Autismus, Schizophrenie und ähnliche Störungen verantwortlich sein, das bereits in früheren Studien nachgewiesen worden war. Über ihre Arbeit berichten Augustine Kong vom isländischen Pharmaunternehmen deCODE Genetics in Reykjavík und seine Kollegen im Fachmagazin „Nature“.
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Die Wissenschaftler verglichen das Erbgut von 78 isländischen Elternpaaren mit dem ihrer Kinder. Im Fokus standen dabei nicht die Veränderungen des Erbguts, die bereits bei den Eltern vorkommen und die diese an ihre Kinder weitergeben, sondern sogenannte De-novo-Mutationen. Dabei handelt es sich um genetische Variationen, die in den Keimzellen – den Eizellen oder Spermien – entstehen und die sich somit erst nach der Befruchtung bei den Kindern manifestieren. Solche Mutationen sind wichtig für die Evolution einer Art, da durch sie neue Merkmale und Variationen entstehen, die sich unter bestimmten Bedingungen als nützlich erweisen können. Sie können jedoch auch Schäden anrichten, etwa wenn sie ein lebensnotwendiges Gen treffen und dessen Funktion beeinträchtigen. Schätzungen zufolge sind etwa 90 Prozent der neu auftretenden Mutationen unproblematisch oder wirken sich positiv aus, die restlichen zehn Prozent gelten als schädlich.
Mehr Mutationen durch viele Teilungszyklen bei der Spermienproduktion
Im Durchschnitt treten bei Kindern im Vergleich zu ihren Eltern etwa 60 De-novo-Mutationen auf, zeigte die Studie der Wissenschaftler. Allerdings hängt die genaue Zahl sehr stark vom Alter des Vaters zum Zeitpunkt der Zeugung ab: Kinder von 20-jährigen Vätern weisen etwa 25 neue Genveränderungen auf, der Nachwuchs von 40-Jährigen kommt auf durchschnittlich 65. Das Alter der Mutter spielt dagegen keine Rolle, ihr Beitrag bleibt nahezu konstant, konnten die Forscher nachweisen. Eine Erklärung für den Effekt sehen sie in der unterschiedlichen Art und Weise, wie männliche und weibliche Keimzellen entstehen: Während die Eizellen zu Beginn des Lebens eines Mädchens gebildet werden und sich anschließend nicht mehr teilen, produziert ein Mann Zeit seines Lebens kontinuierlich neue Spermien. Deren Vorläuferzellen durchlaufen also sehr viel mehr Teilungszyklen und sammeln somit auch mehr Mutationen an, erläutert das Team.
Welche Folgen diese erhöhte Mutationsrate bei Kindern älterer Väter hat, können die Forscher zwar noch nicht genau sagen. Frühere Studien hätten jedoch bereits einen Zusammenhang von De-novo-Mutationen mit dem Risiko für Autismus und Schizophrenie aufgezeigt, berichten sie. Andere Untersuchungen deuteten zudem auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten dieser Störungen bei Kindern älterer Väter hin. Kombiniere man diese Befunde mit dem Resultat der neuen Studie, sei es möglich, dass die höhere Anzahl an De-novo-Mutationen bei Kindern älterer Väter die Ursache für das erhöhte Risiko sei. Sollte sich das bestätigen, könnte der aktuell festgestellte Anstieg an Autismus-Fällen in vielen Ländern, unter anderem in Deutschland, mehr sein als nur das Resultat besserer Diagnose-Methoden, betonen die Forscher – er könnte auch dem steigenden Durchschnittsalter der Väter geschuldet sein. (doi: 10.1038/nature11396)
(Nature, 23.08.2012 – ILB)