Ein nur wenige Millimeter kleiner Plattwurm hat sich als Träger der ältesten bekannten Symbiose zwischen einem Tier und Bakterien entpuppt. Seit rund 500 Millionen Jahren beherbergt der zwischen den Sandkörner flacher Meeresböden lebende Wurm Schwefel oxidierende Bakterien. Die bakterienhaltigen Zellen machen rekordverdächtige 50 Prozent seines Gesamtgewebes aus, berichten österreichische Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).
Seichte marine Sandböden wirken oberflächlich oft wüstenhaft leer, aber im Lückenraumsystem zwischen den Sandkörnern tummeln sich unzählige Lebewesen. Einer der seltsamsten Vertreter dieser Sandlückenfauna ist Paracatenula, ein wenige Millimeter langer, mund- und darmloser Plattwurm, der sowohl in tropischen Meeren als auch im Mittelmeer vorkommt. Schon bei der Entdeckung von Paracatenula in den frühen 1970er Jahren war es ein Rätsel, wie sie sich ohne Mund und Darm ernähren können.
Eine Idee zur Erklärung kam aus einer überraschenden Ecke: Bei heißen Quellen in der Tiefsee entdeckten Wissenschaftler ebenfalls mundlose, jedoch über einen Meter große Riesenröhrenwürmer. Diese leben in einer Symbiose mit intrazellulären Bakterien, die Schwefelverbindungen oxidieren. Die daraus gewonnene Energie verwenden die Symbionten um anorganischen Kohlenstoff zu Biomasse aufzubauen. Durch die hohe Produktivität der Symbionten können sich ihre Wirte komplett von ihnen ernähren.
50 Prozent des Wurms sind Bakterien
Eine Forschergruppe unter der Leitung von Jörg Ott, Professor für Meeresbiologie an der Universität Wien hat jetzt entdeckt, dass auch der Plattwurm Paracatenula eine solche Symbiose eingegangen ist. Partner ist in diesem Fall das Bakterium Riegeria. Diese Symbionten, die in spezialisierten Zellen, den Bakteriozyten, leben, machen erstaunlicherweise bis zu 50 Prozent des Gesamtgewebes beim Plattwurm aus. Das ist deutlich mehr als in allen anderen bekannten Symbiosen zwischen Tieren und Bakterien.
Eine der großen Überraschungen dabei: Die Symbionten von Paracatenula sind zwar Schwefeloxidierer wie die Bakterien der Riesenröhrenwürmer, gehören aber zu den so genannten Alpha-Proteobakterien. In diese Klasse fallen andere wichtige intrazelluläre Symbionten, allen voran die Mitochondrien, die als Kraftwerke aus den Zellen aller höheren Lebewesen nicht wegzudenken sind. Auch die Stickstoff fixierenden Knöllchenbakterien der Leguminosen, aber auch gefährliche Krankheitserreger wie die Erreger des Fleckfiebers gehören in diese Klasse.
500 Millionen Jahre alte Partnerschaft
Mit aus Gensequenzen der Symbionten abgeleiteten Bakterienstammbäumen führten die Forscher zudem eine grobe Altersbestimmung der Symbiose durch. Erstaunliches Ergebnis: Die beiden Partner sind schon seit geschätzten 500 Millionen Jahren miteinander unterwegs, länger als jede andere bekannte Symbiose zwischen Tieren und Bakterien.
Der Vergleich der Bakterienstammbäume mit den Wurmstammbäumen brachte noch eine zusätzliche Finesse ans Tageslicht – die Würmer geben seit Urzeiten ihre Symbionten an ihre Nachkommen weiter, ohne jemals den Symbionten gewechselt zu haben. Wie diese Weitergabe funktioniert, wird momentan in der Arbeitsgruppe des Meeresbiologen Ott untersucht. (PNAS, 2011; 10.1073/pnas.1105347108)
(Universität Wien, 28.06.2011 – NPO)