Paläontologie

Ältester Darm der Welt entdeckt

550 Millionen Jahre altes Fossil liefert spannende Einblicke in die Evolution von Verdauungssystemen

Darmfossil
Dieses versteinerte Tier ist 550 Millionen Jahre alt - und besaß offenbar schon einen Darm. © University of Missouri

Uraltes Verdauungsorgan: Forscher haben das womöglich älteste Fossil eines Darms entdeckt. Bei dem rund 550 Millionen Jahre alten Fund handelt es sich um einen wurmartigen Organismus, der offenbar schon über einen Verdauungstrakt mit separatem Ein- und Ausgang verfügte. Damit liefert das Fossil nicht nur spannende Einblicke in die Evolution von Verdauungssystemen – es könnte auch eine umstrittene Verwandtschaftsfrage klären.

Unser Darm ist nicht nur für die Verdauung wichtig: Zunehmend zeigt sich, dass dieses Organ und die in ihm lebenden Mikroorganismen auch darüber hinaus eine entscheidende Rolle für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit spielen. Der Darm und seine mikrobiellen Bewohner beeinflussen demnach das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen und verfügen sogar über einen direkten Draht zum Gehirn, wie Studien belegen.

Umso spannender ist für Forscher die Frage, wie die Entwicklung dieses hochkomplexen Organs einst vor Jahrmillionen begonnen hat. James Schiffbauer von der University of Missouri in Columbia und seine Kollegen berichten nun von einem Fossil, das einen einzigartigen Einblick ermöglicht: Sie haben das womöglich älteste Gedärm der Welt entdeckt.

CT-Aufnahme des Fossils und seines Verdauungstrakts (orange) © University of Missouri

Urzeitlicher Verdauungstrakt

Bei dem Fund handelt es sich um ein 550 Millionen Jahre altes versteinertes Tier aus einer Wüste im US-Bundesstaat Nevada. Um das wurmähnlich anmutende Fossil näher zu untersuchen, durchleuchteten die Wissenschaftler es mithilfe von Röntgenstrahlen. Konkret nutzten sie dabei die Mikro-Computertomografie und erstellten so ein dreidimensionales Bild des fossilen Organismus und seiner inneren Strukturen.

Das überraschende Ergebnis: Durch das Tier zog sich ein röhrenförmiges Gebilde, das von einem Ende seines Körpers zum anderen verlief. Für Schiffbauers Team war schnell klar, dass es sich um eine Art Darm handeln musste. Das Gebilde gehört damit zu den ältesten bekannten Fossilien innerer anatomischer Strukturen. „Und es ist der älteste fossile Verdauungstrakt“, erklärt Schiffbauer.

Typischer Vertreter des Ediacariums

Doch das Fossil legt nicht nur nahe, dass Tiere bereits im Ediacarium-Zeitalter Därme entwickelt hatten – in dieser Zeit machte die Evolution ihren ersten großen Sprung und die ersten komplexeren, vielgestaltigen Organismen entstanden. Der Fund liefert den Wissenschaftlern zufolge auch neue Erkenntnisse über die rätselhafte Fauna dieses Zeitalters.

Wie Schiffbauer und seine Kollegen berichten, lässt sich das Fossil morphologisch der heute ausgestorbenen Tiergattung Cloudina zuordnen. Diese kleinen, Kalkröhren bildenden Mehrzeller und ihre Verwandten sind typisch für die letzte Phase des Ediacariums, kurz vor der sogenannten kambrischen Explosion. Ihre genaue Position im Stammbaum war bisher aber unklar.

Mund und After separat

Während einige Fachleute die Urzeitwesen den Ringelwürmern (Annelida) zuordneten, hielten sie andere für korallenartige Nesseltiere. „Die von uns beschriebenen Strukturen helfen nun, den schon lange diskutierten Platz dieser wichtigen Fossilgruppe in der Evolution zu klären“, sagt Schiffbauer. „Wir können jetzt sagen, dass sie anatomisch viel stärker einem Wurm als einer Koralle ähneln.“

Ein Grund für diese Schlussfolgerung: Korallen verfügen nicht über ein Verdauungssystem mit separatem Ein- und Ausgang, wie wir es von uns Menschen, Ringelwürmern und vielen anderen Tieren kennen. Stattdessen nehmen die Nesseltiere Nahrung über dieselbe Öffnung auf, über die unverdauliche Teile den Körper wieder verlassen. Sie besitzen demnach auch keinen Darm im herkömmlichen Sinne.

Spannende Evolution

Ist die Interpretation der Forscher korrekt, liefert das Fossil spannende Einblicke in die Evolution tierischer Verdauungssysteme und die Entwicklung von Organismen wie den Anneliden. Sie plädieren dafür, in Zukunft auch vergleichbare Fossilien aus dem Übergang vom Ediacarium zum Kambrium genauer zu durchleuchten – um möglicherweise noch mehr darüber herauszufinden. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-019-13882-z)

Quelle: University of Missouri-Columbia

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