Archäologie

Ältester Mord der Menschheit entdeckt

Vor 430.000 Jahren schlug ein Neandertaler in Nordspanien einem anderen den Schädel ein

Frontalansicht des Neandertaler-Schädels mit den Verletzungen © Javier Trueba / Madrid Scientific Films

Mord in der Vorzeit: Forscher haben den bisher ältesten Mord der Menschheit aufgeklärt: Zwei Verletzungen an einem 430.000 Jahre alten Neandertaler-Schädel deuten darauf hin, dass dieser vorsätzlich angegriffen und durch Schläge mit einem stumpfen Gegenstand ermordet wurde. Das in Nordspanien entdeckte Fossil ist damit der älteste Beleg für Mord und Totschlag in der Menschheitsgeschichte, wie die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“ berichten.

Mord und Totschlag sind keine Erfindung der Neuzeit – ganz im Gegenteil. Schon vor rund 50.000 Jahren tötete einer unserer Vorfahren einen Neandertaler mit einem Wurfspeer, wie Ausgrabungen im Irak vor einigen Jahren zeigten. Und auch die berühmte Eismumie „Ötzi“ wurde vor rund 5.000 Jahren Opfer eines Angriffs durch einen Mitmenschen.

Ein noch erheblich älteres Zeugnis zwischenmenschlicher Gewalt haben nun Nohemi Sala von der Universität Madrid und ihre Kollegen in Nordspanien entdeckt. Im Höhlensystem Sima de los Huesos stießen sie auf die Skelette von mindestens 28 Neandertalern. Diese müssen vor rund 430.000 Jahren durch den einzigen Zugang der Höhle, einen kleinen, senkrechten Schornstein im Fels, in die Kaverne hinabgeworfen worden sein – möglicherweise als eine Form der Bestattung.

Zwei Löcher im Schädel

Einer der Schädel weist auffallende Schäden auf: Über dem linken Auge ist der Schädelknochen an zwei scharf umgrenzten Stellen durchbrochen. Um herauszufinden, was diese Verletzung verursacht hat, analysierten die Forscher den Knochen mit modernen Mitteln der Gerichtsmedizin. Ihr Fazit: Form und Position der Wunde deutet auf eine Gewalttat hin.

Lage, Einschlagswinkel und Form der Schäden sprechen für vorsätzliche Schläge © Sala et al./ PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0126589.g004

„Unfälle oder anderer unabsichtliche Traumata betreffen typischerweise die Seiten des Schädels, gewollte Verletzungen finden sich dagegen meist in der Gesichtsregion“, erklären Sala und ihre Kollegen. Zudem ist die Verletzung relativ eng begrenzt und die Bruchlinien im Knochen gehen sternförmig vom Zentrum aus. Bei einen Sturz wären der Schädelschäden großflächiger und die Bruchlinien würden anders verlaufen.

Vorsätzlich und tödlich

Die Ähnlichkeit beider Schäden spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass dieser Neandertaler zweimal mit demselben Objekt geschlagen wurde. Die Lage auf der linken Seite passt gut zu einem frontalen Angriff durch einen rechtshändigen Gegner. Beide Schläge waren so heftig, dass der Angegriffene wahrscheinlich sofort starb. „Jeder einzelne der beiden Schläge wäre zudem bereits tödlich gewesen, die Wiederholung könnte daher für eine klare Absicht zu töten sprechen“, so die Forscher.

Nach Meinung von Sala und ihren Kollegen starb der Neandertaler vor 430.000 Jahren daher durch einen Mord oder zumindest Totschlag. „Dies repräsentiert den bisher ältesten durch Fossilien belegten Fall der vorsätzlichen und tödlichen zwischenmenschlichen Gewalt“, konstatieren die Forscher. „Er demonstriert, dass diese Aggression ein sehr altes menschliches Verhalten darstellt.“ (PLOS ONE, 2015; doi: 10.1371/journal.pone.0126589)

(PLOS, 28.05.2015 – NPO)

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